Wien schließt Moscheen

Österreich hat die Schließung von sieben Moscheen sowie die Ausweisung von bis zu 40 Imamen angekündigt, die zum Auslandsarm der türkischen Religionsbehörde gehören. So solle Radikalisierungstendenzen entgegengewirkt und das Verbot ausländischer Zahlungen an Religionsgemeinschaften umgesetzt werden, erklärte Kanzler Kurz. Sind das die richtigen Maßnahmen gegen Feinde der Demokratie?

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Delo (SI) /

Der Schuss könnte nach hinten losgehen

Österreichs Ankündigung, sieben Moscheen zu schließen und bis zu 40 Imame auszuweisen, könnte ihren Zweck verfehlen, meint Delo:

„Die möglichen Folgen solcher Maßnahmen für die Gesellschaft sind besorgniserregend. Kanzler Sebastian Kurz sagte zwar, dass mit diesen Maßnahmen versucht werden soll, das Entstehen von Parallelgesellschaften zu verhindern. Doch manchmal erschafft eine Politik, die auf diskriminierenden Gesetzen basiert, erst das, wogegen sie eigentlich vorgehen will. Gerade der gesellschaftliche Ausschluss, oder auch nur das Gefühl, ausgeschlossen zu sein, sind normalerweise der Grund für die Entstehung paralleler Gemeinschaften.“

Milliyet (TR) /

Extremisten lieber juristisch bekämpfen

Auch Milliyet hätte sich eine andere Politik in Wien gewünscht:

„Man kann nicht sagen, dass es in Europa keine 'gewalttätigen Organisationen im Namen des Islam' gebe. Aber es ist keine Lösung, Moscheen zu schließen und Geistliche auszuweisen. Geheimdienst und Sicherheitskräfte sollten die Verantwortlichen finden und vor Gericht bringen. Diejenigen, die ernsthaft verdächtig sind, dunkle Finanzquellen zu haben, sollten ebenfalls der Justiz übergeben werden. Doch diejenigen, die aus ihren Heimatländern legitime und offizielle Gehälter beziehen, sollten darüber informiert werden, dass sie von nun an ihre Einnahmen aus inländischen Quellen bestreiten müssen, ansonsten müssten sie ihre beruflichen Aktivitäten einstellen. Das ist der Weg, der dem Rechtsstaat, den Menschenrechten, Gesetzen und der Glaubensfreiheit entspricht.“

Spiegel Online (DE) /

Wichtiger Schritt gegen Feinde der Demokratie

Das Vorgehen Österreichs ist durchaus nachvollziehbar, findet Spiegel Online:

„Man mag nun die irritierende Theatralik kritisieren, mit der die Regierung ihr Vorgehen bekannt gemacht hat. Man mag ihr vorwerfen, dass sie in einer ohnehin aufgeheizten Stimmung nach Applaus giert. ... Aber man sollte sie nicht reflexhaft für diese Entscheidungen kritisieren, nur weil Populisten gegen Populisten vorgehen. Gegen türkisch-nationalistische Islamisten und Salafisten einzuschreiten, ist mitnichten ein 'Ausdruck der islamophoben, rassistischen und diskriminierenden Welle', die durch Österreich gehe, und ein 'Angriff auf muslimische Gemeinden', um 'politisches Kleingeld daraus zu schlagen', wie Erdogan über seinen Sprecher ebenso theatralisch antworten ließ. Sondern es ist ein Schritt gegen Feinde der Demokratie und der Freiheit.“

Der Standard (AT) /

Kampfansage an Muslime

Der Vorstoß von Bundeskanzler Kurz und seiner Regierung ist gefährlich, kritisiert hingegen Der Standard:

„Morgens schnell einmal schnittig etwas ins Mikrofon zu blasen, wie es Kanzler und Vizekanzler taten, und dann auch noch zu einem so sensiblen Thema wie dem Umgang mit dem Islam, ist in unserer Welt der Verkürzung und Verflachung eine durchaus gefährliche Angelegenheit. Denn was bleibt übrig vom Verstoß gegen das Islamgesetz, den die Regierung konstatiert? 'Die Christen sperren unsere Moscheen zu', lesen und hören Muslime in der Türkei, in Europa, in Indonesien. Es ist eine Kampfansage, nicht ausreichend erklärt für die muslimische Welt, obendrein noch unempfindsam platziert kurz vor dem Ende der Fastenzeit.“

Daily Sabah (TR) /

Religionsfreiheit wird zur Farce

Der Schritt ist nicht nur rechtlich äußerst bedenklich, erklärt die regierungstreue Tageszeitung Daily Sabah:

„Die Entscheidung verstößt gegen den Verfassungsgrundsatz der Gleichheit und die österreichische Rechtsprechung zur Finanzierung von Religionsgemeinschaften. ... Muslime auf dem europäischen Kontinent, besonders in Österreich, kämpfen täglich mit steigender Fremdenfeindlichkeit. Europäische Muslime wissen genau, dass der Kontinent mehr ein Problem mit ihnen selbst, als mit ihren Moscheen hat. ... Wenn es um Muslime geht, scheint sich Europa nicht mehr um Menschenrechte, Gedanken- und Religionsfreiheit zu kümmern.“