Was bringt ein Verbot von Wegwerfplastik?

Das EU-Parlament hat am Mittwoch für ein Verbot von Einwegartikeln aus Kunststoff gestimmt. Zuvor hatten Forscher Plastikpartikel in menschlichem Stuhl nachgewiesen. Sie gehen davon aus, dass es auf der Erde keine plastikfreien Bereiche mehr gibt. Doch nicht alle Kommentatoren sind überzeugt, dass der Beschluss der EU-Abgeordneten dieses Problem löst.

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Berliner Zeitung (DE) /

Knallige Kampagne ohne Wirkung

Die Berliner Zeitung ist skeptisch gegenüber dem Beschluss des EU-Parlaments, weil die Hauptursache für die Vermüllung der Meere gar nicht in Europa liegt:

„90 Prozent des gefährlichen Abfalls [gelangt] durch acht große Flusssysteme in Asien und zwei in Afrika in die Weltmeere. ... Plastikmüll wird dort unkontrolliert und unzulänglich vergraben. Oder die Flüsse werden gleich als Entsorgungsanlagen missbraucht. Es wäre eine höchst verdienstvolle Initiative der EU, wenn sie dafür sorgen würde, dass Fachleute aus Europa in Kooperation mit den Regierungen in Vietnam, China oder Indien moderne Sammel- und Recyclingsysteme entwickeln würden. ... Das wäre ein mühsames Unterfangen, das für EU-Bürger nicht greifbar wird. Dann wohl doch lieber eine knallige Kampagne, mit der man Handlungsfähigkeit beweisen kann.“

L'Echo (BE) /

Bürger werden Regierungen auf die Finger schauen

Die Staats- und Regierungschefs sollten sich hüten, die Plastik-Richtlinie aufzuweichen, warnt L'Echo:

„Es ist eine fortschrittliche Regelung, die der Industrie jedoch nicht das Messer an die Kehle setzt. Das Gesetzgebungsverfahren ist allerdings noch nicht abgeschlossen. Ab November werden die EU-Parlamentarier mit den 28 Staaten und der Kommission in Verhandlung treten. Dies wird oft dazu genutzt, um Projekte im stillen Kämmerlein zu verwässern. … Dieses Mal ist das Votum des EU-Parlaments mit 571 Stimmen für ein Verbot von Wegwerfplastik [und 53 dagegen] unwiderruflich. Die Regierungen müssen sich bewusst machen, dass die Bürger die Verhandlungen über die Plastik-Richtlinie aufmerksam verfolgen werden.“

Süddeutsche Zeitung (DE) /

Alle Einwegprodukte abschaffen

Um die Plastikberge einzudämmen, reicht es nicht, Plastiktüten und Strohhalme zu verbieten, meint die Süddeutsche Zeitung:

„Nachhaltige Veränderung braucht Mehrheiten und politischen Willen. Den Willen, die Plastifizierung des Planeten aufzuhalten und der daraus resultierenden Umweltkatastrophe nicht nur mit symbolischen Kehrbesen zu begegnen. … Die Strategie Deutschlands, Plastikmüll wenigstens zu verbrennen, ist zweifellos besser als Deponien damit zu befüllen, wie es andere Industrienationen noch immer tun. Viel besser wäre es allerdings, das Problem am Ursprung anzugehen und wenigstens Einwegprodukte aus Plastik abzuschaffen. Dazu gehört viel mehr als die oft zitierten Plastiktüten und Strohhalme.“

Der Standard (AT) /

Nur Appelle und Lippenbekenntnisse

Plastik wird in der industrialisierten Welt omnipräsent bleiben, erwartet Der Standard:

„Frans Timmermans, Vizepräsident der EU-Kommission, erklärte im Jänner, dass es unmöglich sei, Kunststoffe zu verbieten. Die EU-Kommission wolle jedoch verstärkt auf Recycling und Wiederverwertung setzen. Ohne Plastik würde vieles in der industrialisierten Welt ja auch gar nicht mehr funktionieren. Es würde auch viele Produkte, die das Leben bequem, praktisch und billig machen, nicht mehr geben. ... Bei allen Appellen und Lippenbekenntnissen wird das Plastikproblem immer noch nicht ernst genug genommen. Die Getränkekonzerne, die Nahrungsmittelindustrie, die Supermärkte und auch wir Konsumenten bleiben räuberische Affen.“

The Guardian (GB) /

Für Kunststoff sprechen gute Gründe

Vorschnelle Lösungen helfen nicht weiter, mahnt The Guardian:

„Man muss eingestehen, dass eine Lösung für die Umweltverschmutzung durch Plastik nicht annähernd so einfach ist, wie es Aktivisten glauben machen wollen. Die Umstellung von Plastikverpackungen zu anderen Materialien würde neue Dilemmata schaffen. Glasflaschen sind schwerer als Plastikflaschen, was möglicherweise mehr Warentransporte bedeutet; die Papierherstellung hat eine schlechtere Kohlenstoffbilanz als ihr Kunststoffäquivalent. Kurz gesagt, gibt es einen Grund dafür, dass wir uns vom Plastik so abhängig gemacht haben.“