Corona: EZB steckt 870 Milliarden in Anleihen

Um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie abzuschwächen, will die EZB bis Jahresende weitere Anleihen im Volumen von 750 Milliarden Euro ankaufen. Bereits vergangene Woche hatte sie angekündigt, 120 Milliarden Euro in Anleihekäufe zu stecken. So sollen die Zinsen gedrückt werden, zu denen sich Staaten und Unternehmen verschulden können. Ist das eine angemessene Reaktion auf die Krise?

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taz, die tageszeitung (DE) /

Ein großer Moment für Europa

Viel Lob erhält die EZB von der taz:

„An Geld wird der Kampf gegen den Virus also nicht mehr scheitern. Dies gilt - ganz wichtig - auch für Italien und Griechenland. ... Vor allem Italien geriet in einen Teufelskreis: Kein anderes EU-Land ist von der Corona-Epidemie so schwer getroffen, dennoch wagte die Regierung in Rom es nicht, ihren Haushalt zu erhöhen, weil sie Angst vor steigenden Zinsen hatte. Nur 25 Milliarden Euro wollten die Italiener zusätzlich ausgeben - während Deutschland längst mit Corona-Kosten in 'unbegrenzter' Höhe plant. Italien wäre zu einem Elendsgebiet geworden, wenn die EZB nicht eingegriffen hätte. ... Die EZB hat alles richtig gemacht. Sie hat den ökonomischen Rahmen geschaffen, damit die Politik handeln kann. Dies ist ein großer Moment für Europa.“

Deutschlandfunk (DE) /

Nicht gleich das ganze Pulver verschießen

Der Deutschlandfunk ist skeptisch und stellt die Frage, ob es wirklich die Europäische Zentralbank ist, die jetzt die entscheidenden Akzente setzen kann:

„Die EZB hätte wachsam die Resonanz auf ihr erstes Paket vor einer Woche beobachten sollen: sie war gleich Null trotz des Versprechens des Anleihekaufs von 120 Milliarden Euro. ... Neben dem Gesundheitswesen und der Wissenschaft sind da vielmehr die Regierungen gefordert, die ja auch bereits an massiven Hilfspaketen basteln. Die entscheidende Frage ist, ob sich die Zentralbanken jetzt nicht selbst das Pulver wegnehmen, welches sie in Zeiten der 'Nachhölle' der Corona-Krise dringend bräuchten. Denn dann drohen wankende Banken, die auf ihren Krediten sitzenbleiben, und möglicherweise eine schwere Finanzkrise. ... Kann die EZB dann noch reagieren? Vielleicht nicht.“

Il Manifesto (IT) /

Kein dauerhafter Kurswechsel

Dass die EZB von ihrem Glauben an den Liberalismus abrücken wird, bezweifelt Il Manifesto:

„Abgesehen davon, dass nicht klar ist, in welche Taschen das Geld schließlich fließen wird, fragt man sich, ob danach der Glaube an die Selbstregulierungsfähigkeit des Marktes, an seine wundertätigen Tugenden und das Dogma der Neutralität der Währung zurückkehrt. ... Sieht dann aber das EZB-Direktorium, das seiner Präsidentin widerspricht und sie zu einem öffentlichen Mea culpa drängt, nicht wie ein armseliger Adept der Homöopathie aus, der einen Arzt beschuldigt, einem Krebspatienten keine starke Dosis Chemotherapie verabreicht und so seinen Tod verursacht zu haben? ... Lagarde hat im Gegensatz zu denen, die ihr Inkompetenz vorwerfen, nur gezeigt, dass sie vollkommen im Einklang mit der Doktrin steht, auf der die Währungsunion beruht. Sie ist die Priesterin des Liberalismus.“

Le Monde (FR) /

Jetzt Tabus brechen

Der Ökonom Pascal Perez fordert in Le Monde die unbürokratische Verteilung eines "Helikoptergelds" von 2.000 Euro pro Haushalt als dauerhaftes Darlehen:

„Es erlaubt, anstelle von Gehältern und sozialer Umverteilung die Nachfrage zu finanzieren. Es verringert den Wettbewerb zwischen den nationalen Sozialsystemen. Es kompensiert das Geld, das aufgrund des Einbruchs der Mobilität von Gütern und Personen sowie von Zukunftsangst nicht ausgegeben wird. Es ist nützlicher als der Aufkauf von Staats- und Firmenanleihen durch die Zentralbank, denn ein verarmter Haushalt gibt Geld aus, während ein großes Unternehmen, das zum Nullzins Geld leiht, Aktien oder Konkurrenten aufkauft. … In einem Kontext, in dem das Scheitern makroökonomischer Lösungen zum Chaos führen kann, muss man unkonventionelle Maßnahmen zur Rettung der Wirtschaft zulassen.“