Friedensnobelpreis für den Kampf gegen Hunger

Das Nobel-Komitee hat den diesjährigen Friedensnobelpreis dem Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) zuerkannt. Es erhalte den Preis für seine Bemühungen im Kampf gegen den Hunger sowie seinen Beitrag zur Verbesserung der Friedensbedingungen in Konfliktgebieten, hieß es bei der Bekanntgabe. Eine gute Wahl, finden einige Kommentatoren. Anderen ist die Entscheidung zu brav.

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Der Tagesspiegel (DE) /

Warum nicht die Frauen von Belarus?

Der Tagesspiegel hätte sich eine mutigere Entscheidung gewünscht:

„Das Komitee hätte die Chance nutzen können, ein hilfsbedürftiges Anliegen mit der prestigeträchtigen Auszeichnung ins Zentrum der allgemeinen Aufmerksamkeit zu rücken, das dringend der Unterstützung bedarf. Zum Beispiel die Demokratiebewegung in Weißrussland. Oder die friedensbereiten Gruppen in Konflikten wie den frisch aufgeflammten Kämpfen in Berg-Karabach oder im quälend langen Krieg im Jemen. Gewiss, mit solchen Ehrungen hätte sich die Jury mitten hinein in aktuelle Machtkämpfe begeben ... . Doch eine Auszeichnung zum Beispiel der friedlichen Demonstranten von Minsk – und dort besonders der Frauen ... – hätte ihnen Mut gemacht. Und hätte ihre machtpolitische Stellung ... gestärkt.“

De Volkskrant (NL) /

Weit entfernt vom Mut der Vergangenheit

Das Nobel-Komitee geht auf Nummer sicher, bedauert auch De Volkskrant:

„China wird diese Entscheidung sicher mit Befriedigung zur Kenntnis genommen haben. Zuvor hatte Peking bereits deutlich gemacht, dass eine mögliche Ehrung der Aktivisten von Hongkong 'stark' zurückgewiesen würde. ... Die bedeutendsten Nobelpreise wurden - in grauer Vergangenheit inzwischen - an mutige Staatsvertreter vergeben, die es gewagt hatten, über ihren eigenen Schatten zu springen. .... Oder an Einzelne, die sich Diktatoren widersetzt hatten, wie der deutsche Publizist und Pazifist Carl von Ossietzky 1935. Damit löste das Nobelkomitee die Wut eines Diktators aus - in dem Fall Adolf Hitler. An der Bereitschaft dazu fehlt es zur Zeit. “

Népszava (HU) /

Würdigung der Mitarbeiter, nicht der Geldgeber

Die Uno-Mitgliedstaaten haben die Auszeichnung bestimmt nicht verdient, meint Népszava:

„Das Welternährungsprogramm ist eine Organisation der Vereinten Nationen, theoretisch hat das schwedische Nobelkomitee also die gemeinsame Kraftleistung der Mitgliedstaaten mit dem Preis honoriert. Falls wirklich das der Fall ist, hat diesen Preis noch nie jemand so unverdientermaßen erhalten. Es gibt aber auch eine andere, etwas engere Interpretation, nämlich, dass der [WFP-]Vorstand mit seinen 36 Mitgliedern oder die 17.000 Mitarbeiter der Organisation mit dem Preis gewürdigt wurden. Diese Menschen versuchen in oft hoffnungslosen Situationen Leben zu retten, harren heldenhaft vor Ort aus und appellieren standhaft an die gefühllosen Regierungen.“

Neatkarīgā (LV) /

Ein Schritt der Vernunft

Dass die meistgenannten Favoriten leer ausgingen, hat vor allem mit Corona zu tun, ist sich Neatkarīgā sicher:

„Wäre der Friedensnobelpreis Anfang des Jahres verliehen worden, hätte Greta keine Konkurrenz fürchten müssen, aber seit der Pandemie hat sich viel verändert. ... Den Preis an die WHO zu vergeben, hätte noch verdrehter gewirkt. Es wäre schwer zu erklären, warum so eine hohe Auszeichnung an eine Organisation vergeben wird, die zumindest Zweifel aufkommen lässt, ob sie alles getan hat, um die Pandemie am Anfang zu begrenzen. ... So gesehen ist die Vergabe an das WFP ein vernünftiger Schritt. Dass der Preis an eine Organisation vergeben wird, ohne dass sie etwas Außergewöhnliches getan hat, bedeutet aber auch nichts Gutes. Sind alle in der Welt tatsächlich so glücklich geworden, dass sie nicht einmal an Frieden denken müssen?“

Tageblatt (LU) /

Wichtigkeit auch finanziell widerspiegeln

Das Welternährungsprogramm ist ein würdiger Preisträger – aber die nationalen Regierungen müssen auch mitspielen, mahnt das Tageblatt:

„[D]as World Food Programme wie u.a. das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR sind in ihrer Arbeit von Regierungsbeiträgen abhängig. Nur verlässliche Spender erlauben die Planbarkeit, die für längerfristige Projekte, etwa in Flüchtlingscamps, unabdingbar ist. Womit wir bei der so oft angepriesenen 'Hilfe vor Ort' wären. ... Gerade in der Zeit, als sich immer mehr Syrer über die Grenze in die Nachbarstaaten retteten, kürzten viele Geberländer ihre Beiträge. ... Statt Hilfe vor Ort gab es eine Notlage vor Ort – die viele weiter nach Europa trieb. Wer Hilfe vor Ort in Migrationsfragen als erste Lösung anpreist, muss bereit sein, dafür zu bezahlen.“