Europarats-Experten rügen Putins Verfassungsreform

Die Kommission für Demokratie durch Recht ("Venedig-Kommission") des Europarates hat die Reform der russischen Verfassung von 2020 stark kritisiert. Diese ermöglicht Wladimir Putin unter anderem, bis 2036 zu regieren. "Die Änderungen gehen weit darüber hinaus, was nach dem Prinzip der Gewaltenteilung angemessen ist", so die Experten, und bedrohten Russlands Rechtsstaatlichkeit. Zustimmung in den Medien.

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LRT (LT) /

Erniedrigung des Konstitutionalismus

Die vorgesehenen Modifikationen könnten kaum undemokratischer sein, ätzt Dainius Žalimas, Vorsitzender des litauischen Verfassungsgerichtes, in Lrt:

„Die Änderung der russischen Verfassung verstößt offensichtlich gegen fundamentale rechtliche demokratische Prinzipien des Europarates: Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, Menschenrechte und Freiheiten. Deshalb auch die Untersuchung, ob ein grober Verstoß gegen die Verpflichtungen dem Europarat gegenüber vorliegt. Nun sagen die Vertreter der russischen Duma in der Sitzung der Venedig-Kommission, Russland entwickle sich eben viel schneller als Europa, auch auf dem Gebiet des Rechts. ... In Wladimirs Verfassung ist das gut zu erkennen. Aber eher in Bezug auf den Wettlauf, wer den Konstitutionalismus am meisten erniedrigt.“

Deník (CZ) /

Putin hat gar keine andere Wahl

Angesichts seines reichen Sündenkontos braucht der russische Präsident die Immunität seines Amtes dringend, heißt es in Deník:

„Selbst wenn Putin das gar nicht wollen würde - er hat keine andere Wahl: Ohne Deckung durch die höchste staatliche Funktion der nuklearen Supermacht ist er ein strafbarer Kriegsverbrecher. Er hat die Besetzung und Annexion des Territoriums eines Nachbarstaates und einen Krieg mit vielen tausend Opfern im Nacken. Das reicht eigentlich schon für lebenslängliche Haft aus. Würden Demokratie und Gerechtigkeit in Russland gewinnen, gäbe es wahrscheinlich weitere Gründe, warum Putin für lange Zeit ins Gefängnis wandern müsste. Putin muss schlichtweg bis zu seinem Tod russischer Präsident bleiben. Falls er in Freiheit eines natürlichen Todes sterben will.“

Wiener Zeitung (AT) /

Exit-Garantie für den Kremlchef

Dass Putin vor allem seinen Abgang regelt, hält Politikwissenschaftler Gerhard Mangott in der Wiener Zeitung für möglich:

„Jetzt, da die politische Elite des Landes weiß, dass Putin über 2024 hinaus Präsident sein könnte, machen [Diskussionen um seine Nachfolge] keinen Sinn. … Hätte Putin hingegen angekündigt, 2024 abzutreten, dann wäre er die letzten Jahre seiner Präsidentschaft nur noch eine 'lame duck' gewesen. ... Es gibt aber auch noch eine Veränderung, die es Putin erlauben könnte, 2024 aus der Politik auszuscheiden: Mit der Verfassungsreform wurden neue Immunitätsregeln für russische Präsidenten beschlossen. Diese dürfen nun weder zivil- noch strafrechtlich zur Verantwortung dafür gezogen werden, was sie vor, während und nach ihrer Amtszeit getan haben. … Der starke rechtliche Schutz könnte für Putin eine 'exit guarantee' sein.“