Merkels letzte Reise nach Moskau und Kyjiw

Angela Merkel hat am Freitag ihren letzten Staatsbesuch bei Putin in Moskau absolviert. Anschließend reiste sie nach Kyjiw und traf dort Präsident Selenskyj. Bis zur am heutigen Montag stattfindenden Konferenz Krim-Plattform zur Zukunft der annektierten Halbinsel ist sie aber nicht geblieben. Was ist die Bilanz dieser Abschiedsbesuche?

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Rzeczpospolita (PL) /

Dorniger Rosenstrauß zum Abschied

Merkels letzter Staatsbesuch in Moskau war nicht gerade von unproblematischen Themen geprägt, erinnert Rzeczpospolita:

„Die Vergiftung von Alexej Nawalny, der jetzt in einer Strafkolonie einsitzt, ist erst ein Jahr her, es fehlen nur noch 15 Kilometer bis zur Fertigstellung von Nord Stream 2, der Krieg mit der Ukraine hängt noch immer in der Schwebe und es zeichnet sich eine neue Migrationskrise ab, die Russland und Belarus bereits als Teil ihres eigenen hybriden Krieges gegen die EU behandeln. Diese jüngste Reise nach Moskau kann kaum überraschen, sie ist der krönende Abschluss der Regierungsjahre Merkels, und der Blumenstrauß, den ihr der Gastgeber im Kreml überreicht, ist ein bezeichnendes Symbol.“

Frankfurter Allgemeine Zeitung (DE) /

Nachfolger muss standhaft bleiben

Russland wird weiterhin offen als Gegenspieler der Nato auftreten, prognostiziert die Frankfurter Allgemeine Zeitung und schaut darauf, wo sich dieser Wettstreit zeigen wird:

„Afghanistan, wo die Nato gerade ihre bitterste Niederlage erlitten hat, wird voraussichtlich kein zentraler Schauplatz dieser Konkurrenz werden, dafür ist das Land strategisch nicht bedeutend genug. ... Vordringlicher bleibt jedoch die ukrainische Frage. Putins jüngste militärische Drohgebärden und seine Versuche, der Ukraine die Eigenständigkeit abzusprechen, deuten darauf hin, dass er mit dem Land nicht fertig ist. Merkel hat auf die Annexion der Krim mit entschlossenen Sanktionen reagiert, die wahrscheinlich Schlimmeres verhindert haben. Ihr Nachfolger muss da standhaft bleiben.“

LB.ua (UA) /

Berlin spielt Moskau in die Hände

Für den Journalisten Alexandr Demtschenko ist klar, auf welcher Seite die Kanzlerin steht. Das beschreibt er in LB.ua:

„Merkels Absage an den Gipfel der Krim-Plattform ist auch ein Versuch, Russland entgegenzukommen. … Aus irgendeinem Grund erwähnt Angela Merkel nicht, dass Russland dabei ist, in den besetzten Gebieten von Donetsk und Luhansk in diesem September die Wahl zur Staatsduma abzuhalten. Niemand spricht davon, dass dies eine Annexion dieser Gebiete darstellt. … Das Problem ist, dass Deutschland der Aggression Russlands gegen die Ukraine in die Hände spielt und dass unser Staat wieder seine Freiheit verliert und von Moskau weiterhin abhängig bleibt.“

Ukrajinska Prawda (UA) /

Die Ukraine sollte dankbar sein

Den Abgang Merkels sehen Tetjana Gajduk vom Projekt Kyiv Not Kiev und Denis Gutik, Student an der Kyjiwer Schewtschenko Universität, in Ukrajinska Prawda mit Bedauern:

„Merkel ist in der Tat eine Art Paradoxon, die oft anders handelt, als man es erwarten würde. Trotz kontroverser Sichtweisen der politischen Figur Angela Merkel ist sie weltweit eine der kompetentesten Expertinnen in der ukrainischen Frage. … Ihr Abtritt wird sich sicherlich auf die Lage der Ukraine auswirken. Müssen die Ukrainer die Bundeskanzlerin vermissen? Noch können wir diese Frage nicht beantworten, hängt doch die Antwort zu sehr davon ab, wer neuer Kanzler wird und welche Kräfte die neue deutsche Regierung bilden werden. Doch die Ukraine sollte sich auf jeden Fall an Merkels Arbeit mit Dankbarkeit erinnern.“