Paralympics: Trügt der Schein?

Die Paralympischen Spiele in Tokio sind am Dienstag mit einer fulminanten Show eröffnet worden. Der Behindertensport ist aus seinem Schattendasein längst herausgetreten, freuen sich einige Kommentatoren. Andere merken jedoch an, dass der Glanz des sportlichen Ereignisses über immer noch bestehende Ungleichheit hinwegtäuscht.

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Der Standard (AT) /

Beste Werbung für Inklusion

Japan misst den paralympischen Spielen einen hohen Stellenwert bei, lobt Der Standard:

„Den olympischen folgen paralympische Geisterspiele, die wohl ähnlich perfekt organisiert, aber im staatlichen Sender NHK weniger präsent sein werden. Auffällig ist allerdings, dass kaum von einer Absage der Paralympics wegen Corona die Rede war, während in Umfragen bis zu zwei Drittel für die Absage von Olympia plädierten. Den Paralympischen Spielen wird in einem Land, das 2014, als erst 140. Staat, die UN-Konvention über Rechte von Menschen mit Behinderungen ratifizierte, hohe soziale Bedeutung beigemessen. Punkto Barrierefreiheit weit fortgeschritten, begreift Japan die Paralympics als ideale Gelegenheit zur Bewusstseinsbildung.“

Deutschlandfunk (DE) /

Mit dem Wohlstand wächst die Teilhabe

Der Deutschlandfunk macht darauf aufmerksam, dass die Spiele noch immer ein Festival der privilegierten Ländern ist:

„25 Länder, die eigene Nationale paralympische Komitees haben, sind in Tokio nicht vertreten. Die meisten kommen aus Afrika und Asien. Einige konnten die hohen Kosten nicht aufbringen, andere wurden durch politische Krisen zurückgeworfen. Von den zehn erfolgreichsten Nationen im historischen Medaillenspiegel liegen acht in Europa und Nordamerika. Die Formel ist einfach: Mit zunehmendem Wohlstand wächst die gesellschaftliche und damit auch sportliche Teilhabe von Menschen mit Behinderung.“

The Independent (GB) /

Und dann wieder Bürger zweiter Klasse

Abseits solcher Events erhält das Schicksal behinderter Menschen viel zu wenig Aufmerksamkeit, klagt The Independent:

„Anfang dieses Jahres bejubelte Boris Johnson eine nationale Behindertenstrategie, die kaum mehr war als eine aufpolierte PR-Übung. Alles Show, keine Substanz. Am meisten berichtenswert war noch die Festlegung eines Ziels für die Einstellung Behinderter beim Auslandsgeheimdienst MI6. Dazu werden natürlich Berichte veröffentlicht werden. Wie viele Agenten es tatsächlich gibt, wird aber wohl Staatsgeheimnis bleiben. ... Einen Hund schafft man sich fürs ganze Leben an, nicht nur für Weihnachten. Wenn die Paralympics vorbei sind, werden behinderte Menschen in Großbritannien wieder wie jene Hunde behandelt werden, die man am Ende nur noch tritt.“