Omikron: Die neue Welle wegboostern?

Weil die im November entdeckte Omikron-Variante des Coronavirus besonders ansteckend ist, rechnen Experten damit, dass sie in Kürze in Europa dominant sein wird - in Großbritannien und Dänemark sogar schon im Laufe dieser Woche. Die verfügbaren Impfstoffe in zweifacher Dosis schützen nicht ausreichend, deshalb wollen viele Staaten nun schnell boostern. Wie erfolgversprechend diese Idee ist, diskutiert Europas Presse.

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Financial Times (GB) /

Richtig, aber nicht ausreichend

Großbritanniens Premier Johnson will bis Ende Dezember allen vollständig geimpften Erwachsenen eine Booster-Impfung ermöglichen. Financial Times ist skeptisch:

„Der Schritt ist der richtige, denn es ist besser, entschlossen gegen eine neue Welle vorzugehen und dann gegebenenfalls die Maßnahmen zu lockern, als zu langsam zu reagieren; etwas, dass - wie das Vereinigte Königreich schmerzlich lernen musste - Tausende Leben kosten kann. Dennoch werden wahrscheinlich weitere Covid-Maßnahmen vonnöten sein. Schließlich ist die Handlungsfähigkeit der Regierung durch die aktuellen politischen Turbulenzen eingeschränkt. Die Booster-Kampagne wird den erschöpften NHS noch stärker belasten. ... Aber wenn die Regierung auch nur annähernd das Impfziel erreicht, dann sinkt die Gefahr der Überlastung des Gesundheitswesens.“

The Independent (GB) /

Zu spät und chaotisch

Johnson trifft seine Entscheidungen wieder im allerletzten Moment, schimpft The Independent:

„Boris Johnson hat dem NHS kaum Vorwarnzeit für diese neue Booster-Mission gegeben. Warum konnte man dem Gesundheitsdienst nicht schon vor Wochen mitteilen, was von ihm gefordert wird, nämlich bis Monatsende alle Erwachsenen zu impfen, also mehr als eine Million Menschen am Tag? Wäre das geschehen, dann würde die Webseite des NHS nicht kollabieren. ... Wie so oft in der Vergangenheit ist der Premierminister nun auf das Gesundheitswesen und das Militär angewiesen, das ihn von seinen eigenen Fehlern retten soll. Wie immer werden diese ihr bestes geben, denn sie stellen das öffentliche Interesse an vorderste Stelle - anders, als der Mann in Downing Street.“

Visão (PT) /

Weitere Schutzmaßnahmen nötig

Boostern schafft auch keine Herdenimmunität, schreibt Visão:

„Portugal steht in der Rangliste der Impfungen an dritter Stelle und mehr als 70 Prozent der über 65-Jährigen haben bereits die dritte Dosis erhalten. Das Land ist ein gutes Beispiel dafür, dass Impfungen die Covid-Ansteckung und ihre beiden gefährlichsten Varianten nicht eindämmen oder auslöschen können. ... Die zweite, gefährlichere Schlussfolgerung, die sich aus der ersten ergibt, ist, dass die Geimpften, selbst die, die die dritte Dosis erhalten haben, sich anstecken und den Virus verbreiten. Das beweist, dass die grundlegenden Schutzmaßnahmen, wie die Verwendung von Masken, beibehalten und in einigen Fällen verstärkt werden müssen.“

Ilta-Sanomat (FI) /

Lauter Unsicherheiten

Ilta-Sanomat wünscht sich eine schnellere Auffrischungsimpfung für alle Impfwilligen:

„Finnland ist derzeit auf seltsame Art gespalten. Es gibt jene, die keine Corona-Impfung wollen, nicht einmal die erste, und niemand weiß, wie man sie zur Impfung bewegen kann. Vor allem wegen ihnen könnten wir in die Situation kommen, dass die Regierung Corona-Einschränkungen verabschieden muss, die alle betreffen. Und dann gibt es jene, die möglichst rasch die dritte Impfung wollen, diese aber noch nicht bekommen. Die Empfehlungen dazu sind unklar und es herrscht kein Konsens darüber, in welchem Tempo die jüngeren Altersgruppen geimpft werden sollen. Außerdem gibt es in den finnischen Vorratslagern derzeit auch nicht genug Impfstoff, um allen eine dritte Impfung zu geben. Aber kann das ein Grund sein, diese für die ersten Nicht-Risikogruppen zu verschleppen?“

Hürriyet (TR) /

Schwacher chinesischer Impfstoff

In der Türkei wurde Anfang 2021 zunächst CoronaVac verimpft, erst Monate später wurde der Impfstoff von Biontech verfügbar. Doch nun lassen sich zu wenige mit diesem wirksameren mRNA-Vakzin boostern, mahnt Hürriyet:

„Wir wissen aus allen Erklärungen von Wissenschaftlern, dass die Resistenz durch die erste und zweite Impfdosis, insbesondere bei Totimpfstoffen aus China, ernsthaft zu schwinden beginnt, wenn die dritte Dosis des Auffrischungsimpfstoffs nicht rechtzeitig verabreicht wird. ... Zudem bereiten den Fachgesellschaften vermehrte Todesfälle durch Covid-19 bei Schwangeren Sorgen, die insgesamt eine sehr niedrige Impfrate aufweisen. Es ist also notwendig geworden, der Schwangerenimpfung einen besonderen Stellenwert einzuräumen und dafür dringend Impfkampagnen zu organisieren.“