Ukraine-Konflikt: Wie die Lage entschärfen?

Trotz intensiver diplomatischer Bemühungen hat sich die Krise im russisch-ukrainischen Grenzgebiet bislang nicht entschärft. Die neue deutsche Außenministerin Annalena Baerbock unternimmt nun noch einen Versuch mit Treffen in Kyjiw und Moskau. Europas Presse macht Vorschläge und bedauert die Bedeutungslosigkeit der EU.

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Tages-Anzeiger (CH) /

Die Lösung wäre ein diskreter Deal

Der Tages-Anzeiger erinnert an ein historisches Vorbild:

„Die Kubakrise 1962 entschärften Washington und Moskau mit einem zum Teil geheimen Tauschhandel. Die Sowjets zogen ihre Atomwaffen aus Kuba wieder ab, wogegen John F. Kennedy erklärte, keine weitere militärische Invasion gegen den Inselstaat zu unternehmen. ... Übertragen auf die Ukraine hiesse das: Putin verzichtet auf eine Invasion, anerkennt die Souveränität der Ukraine und schickt die russischen Soldaten an der Grenze nach Hause in den verdienten Urlaub. Im Gegenzug könnten die USA die Waffenlieferungen an Kiew drosseln und die Zahl der Truppenübungen reduzieren. Des Weiteren - informell und nur mündlich - könnte Biden Putin versichern, dass die Ukraine nicht in die Nato aufgenommen wird.“

24tv.ua (UA) /

Kyjiw muss die Lage nutzen

Dass die Chancen auf einen Nato-Beitritt der Ukraine jetzt wachsen, rechnet sich der Journalist Jurij Butussow in 24tv.ua aus:

„Sollte Putin einen Angriff wagen, wird unser Krieg zum Hauptthema der Weltmedien werden, und dann werden die Heldentaten und Opfer des ukrainischen Volkes die öffentliche Meinung in Europa dazu zwingen, die Regierungen zu drängen, den politischen Prozess zu beschleunigen und die Ukraine viel früher in die Nato aufzunehmen. ... Die Ukraine muss diese Situation nutzen, um massiven Druck auf die Nato-Regierungen auszuüben, damit diese ihre Militärhilfe aufstocken und die Beschränkungen für Waffenlieferungen aufheben.“

Diário de Notícias (PT) /

Die EU sitzt am Kindertisch

Dass die EU kein vollwertiger Verhandlungspartner ist, bedauert Diário de Notícias:

„Wir sollten nicht erwarten, dass die EU nun zu dem wird, was sie noch nicht ist und von dem wir nicht wissen, ob sie es jemals sein wird: Eine Organisation, die über die Fähigkeit, den Willen und die Mittel verfügt, zur wirtschaftlichen, politischen und militärischen Steuerung Europas und der Welt beizutragen, was ihren überwiegend zivilen Charakter ändern und Brüssel eine Rolle in Bereichen der Souveränität geben würde, die bisher den Mitgliedstaaten vorbehalten waren. Im Moment wissen wir, dass die EU, wenn das Schicksal der Ostgrenze Europas auf dem Spiel steht, an den Kindertisch geschickt wird, hinaus aus dem Raum, in dem die Erwachsenen die Entscheidungen treffen.“