USA und Großbritannien: Deutliche Zinserhöhungen

Die US-Notenbank Fed hat den Leitzins wegen der hohen Inflation um 0,5 Prozentpunkte angehoben, die stärkste Anhebung seit 22 Jahren. Künftig liegt er zwischen 0,75 bis 1 Prozent. Auch die Bank of England erhöhte ihren Leitzins zum vierten Mal in Folge, auf 1 Prozent. Kommentatoren diskutieren die Konsequenzen für die Eurozone und Großbritannien.

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taz, die tageszeitung (DE) /

EZB sollte folgen

Die Entscheidung wird auch Auswirkungen auf Europa haben, erklärt die taz:

„Höhere Zinsen bringen auch höhere Erträge. Investoren werden deshalb verstärkt in die USA schauen - Geld fließt zunehmend aus dem Euro- in den Dol­lar­raum. Der Dollar in Euro wird teurer, was die ohnehin hohe Inflation in der Eurozone weiter anheizt. Denn vor allem Öl und Gas werden weltweit in Dollar gehandelt. Auch wegen dieser Effekte sollte die EZB jetzt den Amerikanern folgen und die Zinsen anheben. Monatelang hat die Notenbank gezögert und beschwichtigt, die Inflationsraten seien nur vorübergehend so hoch. Es sieht inzwischen nicht mehr so aus.“

Les Echos (FR) /

Diesseits des Atlantiks ist die Situation anders

Die EZB kann nicht das gleiche Rezept anwenden wie die Fed, meint dagegen die Wirtschaftszeitung Les Echos:

„Die Inflation in den USA ist vorwiegend hausgemacht, wohingegen die Ursachen in Europa weitestgehend extern sind. Auf unserem Kontinent wird der Preisanstieg größtenteils durch das Emporklettern der Energiepreise verursacht. Die Abhängigkeit der europäischen Länder vom Lieferanten Russland erklärt, dass der Gas- und - in geringerem Ausmaß - auch der Ölpreis in Europa derzeit höher ist als in den USA. Spricht man von externer Inflation, bedeutet das jedoch, dass die Entwicklung weniger leicht durch eine Zinsanhebung zu bekämpfen ist. Daher kann die EZB zum Teil nicht auf die traditionellen Hebel zurückgreifen, die die Fed in vollem Umfang einsetzen kann.“

The Times (GB) /

Die Zeit der Nullzinspolitk ist vorbei

Die Anhebung des Leitzinses durch die britische Notenbank hätte schon früher kommen sollen, findet The Times:

„Niemand konnte wissen, welche Auswirkungen neue Covid-Varianten auf die Wirtschaft haben würden, und politische Entscheidungsträger befürchteten, dass eine strenge Geldpolitik die wirtschaftliche Erholung abwürgen würde. Rückblickend muss aber gesagt werden, dass die Zentralbank die Zinsen zu lange niedrig hielt. ... Die Bank hat spät auf die Gefahr einer hohen Inflation reagiert und kann nicht zulassen, dass die Angst davor jetzt aus dem Ruder läuft. ... Preisstabilität ist für eine erfolgreiche Wirtschaft und einen wachsenden Lebensstandard unerlässlich. Großbritannien muss sich darauf einstellen, dass die Ära einer Nullzinspolitik vorbei ist.“

New Statesman (GB) /

Nicht im Interesse des Volkes

Die Entscheidung der Bank of England ist falsch, meint Ökonom David Blanchflower in The New Statesman und zieht Parallelen zur Rezession von 2008:

„Damals wie heute waren steigende Öl- und Rohstoffpreise Inflationstreiber. Der Preisanstieg ist vorübergehend und wird nachlassen, sobald die Leute ihre Ausgaben kürzen und teure Waren vermeiden. Wie eine Zinserhöhung das Problem des pandemiebedingten Angebotsschocks lösen soll, ist mir schleierhaft. ... Den Verbrauchern droht ein wirtschaftliches Armageddon, denn laut Prognosen wird der Rückgang der Einkommen der Haushalte der größte seit 1956-57 sein, als man diesen Wert zu erheben begann. Der [geldpolitische Ausschuss der Bank of England] MPC vertritt die Interessen des Finanzviertels und seiner Bankerfreunde, nicht aber die der Frau, die auf den Bus wartet.“