Aus den Fugen: Was hat der Krieg mit Europa gemacht?

Der russische Großangriff auf die Ukraine hat die internationale Ordnung erschüttert. Dies kam für die meisten überraschend, obwohl es durchaus Anzeichen für diese Entwicklung gegeben hatte, wie manche Kommentatoren betonen.

Alle Zitate öffnen/schließen
Dnevnik (BG) /

Vom Bösen überrascht

Die vielen Vorzeichen des Kriegs wollte niemand wahrhaben, reflektiert Dnevnik:

„Wir konnten den Krieg gegen die Ukraine nicht vorhersagen, weil niemand von uns ihn wollte und wir ihn deshalb nicht für möglich hielten. ... Der Krieg begann, wenn auch still, als eindeutig klar wurde, dass in Russland die in der Verfassung verankerte Machtübertragung durch freie Wahlen nicht respektiert werden würde; dass die Demokratie und ihr unveräußerlicher Respekt vor Menschenrechten und Pressefreiheit allmählich bis zur vollständigen Auslöschung demontiert werden würden; dass dieses stolze Volk in einen Haufen Kamikazes verwandelt werden würde, die sich, getrieben von Hass und Angst, für ein falsches nationalistisches Ideal opfern würden, das von einem neuen Diktator verkörpert wird.“

Maaleht (EE) /

Dass so etwas vor unserer Tür geschieht!

Das Jahr hat Gräuel einer Art hervorgebracht, die wir längst überwunden glaubten, klagt Maaleht:

„Der israelische Denker Yuval Noah Harari hat sich als prophetisch erwiesen, als er am 9. Februar 2022 in The Economist schrieb, dass das Aufgeben der Aggressionskriege eine große Errungenschaft der Menschheit ist, die Russland nun in der Ukraine infrage stellt. ... Vor einem Jahr wussten wir nicht, dass Butscha im 21. Jahrhundert möglich ist. Wir glaubten, dass so etwas vielleicht in unzivilisierten Urwaldecken der Welt vorkommen könnte, aber nicht in einem wohlhabenden Vorort einer europäischen Hauptstadt.“

Leonid Gosman (RU) /

Aus Russland wurde Putinland

Oppositionspolitiker Leonid Gosman sieht auf Facebook Russland durch Putins Krieg annihiliert:

„Das wichtigste Ergebnis des Jahres 2022 ist: Russland gibt es nicht mehr! Bis vor kurzem wurde das Wort Russland sowohl mit schlechten als auch mit guten Dingen assoziiert - Diktatur, Stalin, Lager, aber auch mit russischer Kultur, der Eroberung des Alls, dem Sieg [im Zweiten Weltkrieg]. Das alles ist passé. ... Putin hat dem Land das Gleiche angetan wie die Bolschewiken: Nach dem Oktoberputsch gab es kein Russland mehr. Was übrig blieb, war ein Gebiet, in dem irrsinnige Dinge geschahen, das aber mit Russland, seiner Kultur und Geschichte nichts mehr zu tun hatte. ... Auch jetzt sind das Gebiet und die Menschen noch da. Aber das Land ist weg.“