Ukraine: Was ist von Putins Feuerpause zu halten?

Der russische Präsident Wladimir Putin hat angeordnet, das Feuer auf die Ukraine aus Respekt vor dem orthodoxen Weihnachtsfest für 36 Stunden einzustellen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj lehnte es jedoch ab, die Waffen ebenfalls schweigen zu lassen, und sagte, die Russen wollten Weihnachten als Deckmantel nutzen, um den Vormarsch der Ukrainer im Donbas aufzuhalten. Argwohn auch in der Presse.

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La Repubblica (IT) /

Kurz vor der Eskalation

Kyjiw ist mit seiner Skepsis nicht allein, analysiert La Repubblica:

„Der Countdown hat begonnen. In den nächsten zwei Monaten wird der Kampf mit aller Härte fortgesetzt werden. Die Generäle beider Seiten untersuchen die Bodenverhältnisse und warten darauf, dass das Eis den Schlamm ersetzt und die Panzer über die Ebene fahren können. ... Die Ukrainer schicken Tausende von Männern zur Ausbildung in westliche Stützpunkte; die Russen versuchen, Rekruten auszubilden und durch Niederlagen erschöpfte Brigaden wieder aufzubauen. Beide häufen Munition und Kampfmittel an, die Kyjiw mit größerem Aufwand von den Alliierten erhält, während Moskau sie aus sowjetischen Waffenlagern abzieht. ... Sie versuchen, Taktiken und technische Mittel zu perfektionieren, um den Gegner zu überraschen.“

News.bg (BG) /

Für Kyjiw nicht bindend

Auch News.bg folgt Selenskyjs Auffassung, dass Putin den russischen Truppen mit der Waffenruhe eine Pause einräumen will:

„Eine solche Pause würde den russischen Truppen unverhältnismäßig zugutekommen und der Ukraine allmählich die Initiative nehmen. Putin kann nicht ernsthaft erwarten, dass die Ukraine die Bedingungen dieses plötzlich erklärten Waffenstillstands einhält. Möglicherweise hat er den Waffenstillstand auch deshalb angeordnet, um die Ukraine als unnachgiebig darzustellen und als unwillig, die notwendigen Schritte in Richtung Verhandlungen zu gehen.“

Leonid Wolkow (RU) /

Putin will die Ukrainer als Antichristen abstempeln

Nawalny-Mitstreiter Leonid Wolkow vermutet in der Aktion die Vorbereitung einer neuen Mobilmachung in Russland:

„Was für eine idiotische Trickserei, dieser 'Waffenstillstand' ... Selbst die Z-Kanäle [auf Telegram] jammern: Was soll das, 'eine einseitige Feuereinstellung'? ... Niemand in der Welt nimmt das ernst. Das einzige Publikum dafür ist der russische Fernsehzuschauer, dem Putin nach dem 7. Januar versuchen wird, die Idee zu verkaufen, dass die Antichristen den Weihnachtsfrieden gebrochen haben, dass wir zusammenstehen müssen, dass eine zweite Mobilmachungswelle und desgleichen notwendig ist.“

El País (ES) /

Reine Propaganda

El País hält den Vorsteher der Russisch-Orthodoxen Kirche, Patriarch Kyrill, für realitätsfremd:

„Putin begründete die vorübergehende Waffenruhe mit dem Aufruf des Patriarchen der orthodoxen Kirche. ... Kyrill zeigt, wie schlecht er die neue Realität erfasst, wenn er seine Bitte um einen Waffenstillstand 'an alle am internen Konflikt beteiligten Parteien' richtet, als ob es nicht zwei Staaten gäbe, die sich auf dem Schlachtfeld gegenüberstehen, und übrigens auch zwei Kirchen, die seit fünf Jahren nicht mehr voneinander abhängig sind. Die ukrainische Behauptung, es handele sich um eine russische Propaganda-Operation, scheint nicht abwegig.“