SVB-Pleite: Sind die Banken unter Kontrolle?

Nach der Pleite der Silicon Valley Bank (SVB) in den USA – spezialisiert auf Start-up-Unternehmen der Technologiebranche – sind auch die Aktienkurse großer europäischer Banken zeitweise stark gefallen. Europas Presse sieht zwar deutliche Unterschiede, aber auch einige Parallelen zur Lage, die ab 2008 zur globalen Finanz- und späteren Wirtschaftskrise führte.

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Efimerida ton Syntakton (GR) /

Nicht vergleichbar mit 2008

Der griechische Ex-Finanzminister und Ökonom Yanis Varoufakis analysiert in Efimerida ton Syntakton:

„Also zurück ins Jahr 2008? Nein, und zwar aus zwei Gründen. Erstens besteht das Problem der US-Banken heute nicht darin, dass ihre Vermögenswerte Schrott sind. ... Zweitens unterscheidet sich die angekündigte Rettungsaktion der Fed von der im Jahr 2008: Heute werden die Banken und Einleger gerettet und nicht die Eigentümer/Aktionäre der Banken. Diese beiden Gründe erklären, warum die Bankaktien fallen, ohne dass es zu einem totalen Crash der Aktienmärkte kommt. ... Das bedeutet natürlich nicht, dass sich die Krise des Kapitalismus - die seit 2008 ständig voranschreitet - nicht vertieft. Sie hat einfach nicht die Merkmale eines sofortigen, heftigen Sturzes.“

Financial Times (GB) /

Etwas Angst beflügelt nötigen Wandel

Auf einen heilsamen Schock hofft Financial Times:

„Die große Frage ist nun nicht, was mit der Wirtschaft, sondern was mit dem Finanzsystem passieren wird. Ein interessanter Punkt ist, dass es hilfreich ist, wenn dort wieder etwas Angst aufflammt. Die Angst, die durch kleine Schocks generiert wird, macht große Krisen vielleicht etwas unwahrscheinlicher. Und es gibt noch weitere Lehren zu ziehen: Die Banken sind so anfällig wie eh und je für einen Ansturm. Und egal ob es einem gefällt oder nicht, nicht versicherte Anleger werden bei einer Pleite nicht leer ausgehen. Das Vertrauen, dass Einlagen sicher sind, ist aus wirtschaftlicher und politischer Sicht einfach viel zu wichtig. ... Aber das Bankwesen braucht einen radikalen Wandel.“

Rzeczpospolita (PL) /

Weltwirtschaft verliert Innovationskraft

Rzeczpospolita sagt ein Startup-Sterben voraus:

„Die Pleite einer Bank, die Unternehmen im Silicon Valley finanziert, untergräbt das Vertrauen in die Branche und dreht ihr den Geldhahn zu. Während große Unternehmen wie Facebook, Google, Apple oder Amazon es irgendwie schaffen werden, selbst wenn sie Milliarden ihrer Kapitalisierung einbüßen sollten, werden kleinere Unternehmen und Start-ups möglicherweise nicht überleben - und dies wird einen Schatten auf die Innovation der Weltwirtschaft werfen.“

El País (ES) /

US-Behörden müssen aus Fehlern lernen

El País erkennt in dem Fall Trumps Erbe:

„Trotz aller Regulierungsrunden, die auf die Krise von 2008 folgten, bleiben die USA das Land mit den größten Exzessen im Bankensektor. Präsident Barack Obama förderte das Dodd-Frank-Gesetz, das Anforderungen für Stresstests, Risikoausschüsse sowie Kapital- und Verschuldungsquoten für Banken festlegte. Mit dem Amtsantritt von Donald Trump im Weißen Haus wurden diese Anforderungen gelockert, was zur aktuellen Krise beigetragen zu haben scheint. Die US-Behörden haben eine doppelte Aufgabe: Sie müssen analysieren, was bei der Aufsicht schiefgelaufen ist, und zweitens müssen sie der Regulierung eine neue Wendung geben, um Episoden wie diese zu verhindern.“

The Irish Times (IE) /

Sektor braucht strenge Regulierung

The Irish Times schreibt:

„Die SVB und andere kleine und mittelgroße US-Kreditgeber hatten sich erfolgreich für die Lockerung der Regulierung eingesetzt, die unter Trumps Präsidentschaft erfolgte. Jetzt zahlt man den Preis für diese Entscheidung – und für die Gier und Inkompetenz des Managements der Bank. ... Die längerfristigen Auswirkungen der Bankenpleite werden sich erst später herauskristallisieren, aber sie sendet eine eindeutige Botschaft an die Aufsichtsbehörden: Strenge und angemessene Regulierung ist notwendig. Der Finanzsektor hat sich über die Bürde der Regulierung beschwert, aber wenn von einer 'behutsamen' Aufsicht über kleinere US-Kreditgeber die Rede ist, dann weckt das unangenehme Erinnerungen an Irland im Vorfeld des Bankencrashs.“

Corriere della Sera (IT) /

Volatilität der Märkte gehört dazu

Aus dem Schock lassen sich drei Lehren ziehen, erklärt Corriere della Sera:

„Erstens, dass eine solche Krise in der Europäischen Union aufgrund der sorgfältigeren Regulierung, der unsere Banken seit einigen Jahren unterworfen sind, kaum hätte auftreten können. Zweitens, dass wir zwischen Liquiditätskrisen und Insolvenzen unterscheiden müssen. Die SVB hatte eine Liquiditätskrise, und Liquiditätskrisen können durch Interventionen der Zentralbanken leicht eingedämmt werden.… Drittens, dass die Volatilität ein Merkmal der Finanzmärkte ist. Diese müssen überwacht werden, aber der Versuch, ihre Volatilität auszulöschen, wäre ein Fehler, denn damit würde man sich das Ziel setzen, jedes Risiko zu bannen, das aber ein wesentlicher Aspekt der Innovation ist.“

Handelsblatt (DE) /

Eigentlicher Härtetest steht noch bevor

Das Handelsblatt betrachtet die jetzigen Bankenpleiten als Symptom einer ökonomischen Zeitenwende:

„Die Rückkehr der Inflation läutet nach fast 20 Jahren mit extrem niedrigen und teils negativen Kapitalmarktzinsen das Ende einer Ära ein. Die Zinswende führt nun dazu, dass die Risiken wieder ins System eingepreist werden. Das geht notwendigerweise mit Friktionen und manchmal auch Pleiten einher. Manche nennen es Bereinigung. Sicher ist: Der eigentliche Härtetest steht noch bevor.“

De Volkskrant (NL) /

Wehe, wenn die Inflation hoch bleibt

De Volkskrant hofft, dass die negativen Folgen der aktuellen Entwicklung im Rahmen bleiben:

„Die größte Sorge ist, dass die Welt jetzt doch noch die Rechnung bezahlen muss, die sie durch die niedrigen Zinsen so viele Jahre vor sich her schieben konnte. Die Folgen der Finanzkrise von 2008 blieben begrenzt, dank des Staates, der notleidenden Banken zu Hilfe kam. Da die Zentralbanken in der westlichen Welt danach die Zinsen schnell senkten, wurde eine Schuldenkrise verhindert. ... Aber immer wurde gewarnt, dass das eine sehr riskante Strategie war. ... Sollte sich die finanzielle Krise ausbreiten, werden sich die Zentralbanken wahrscheinlich gezwungen sehen, die Zinsen wieder zu senken. Wir können nur hoffen, dass die Inflation dann abgeflaut ist.“

Neue Zürcher Zeitung (CH) /

Auf keinen Fall Zinsen senken

Die US-Notenbank darf nicht von ihrer bisherigen Geldpolitik abrücken, warnt die Neue Zürcher Zeitung:

„Auch wenn der Steuerzahler unmittelbar kein Geld verliert, so droht noch eine ganz andere Gefahr. Gemunkelt wird bereits, dass die amerikanische Notenbank die Zinsen nun weniger schnell erhöhen könnte, um nicht weitere Banken in Schwierigkeiten zu bringen. Wenn das Fed bei der Inflationsbekämpfung aber ausgerechnet jetzt nachlässt, dann wäre das ein viel grösserer Schaden als das Scheitern einiger nicht systemrelevanter Banken.“

La Repubblica (IT) /

Kollateralschaden

Die Geldpolitik der US-Notenbank ist nicht unschuldig an dem Fiasko, wirft Wirtschaftswissenschaftler Domenico Sinisclaco in La Repubblica ein:

„Die negativen Folgen [der jüngsten Zinserhöhungen] für einzelne Banken waren absehbar, insbesondere wenn sie Unternehmen in der Anfangsphase ihres Bestehens finanziert hatten. ... Als die Zinsen stiegen, begann der Wert der Anleihen in der Bilanz der SVB stärker zu sinken als anderswo. Das Kapital der Bank reichte nicht aus, um diesen Wertverlust aufzufangen. Und so begann das Management, das sicher Fehler begangen hat, die Anleihen unter dem Ausgabepreis zu verkaufen und zu versuchen, mithilfe von Goldman Sachs 2,7 Milliarden US-Dollar an neuem Kapital aufzubringen. ... Statt Vertrauen zu schaffen, lösten diese beiden üblichen Maßnahmen Panik aus.“

Documento (GR) /

Schlechte Erinnerungen werden wach

Die Wochenzeitung Documento ist besorgt:

„Wir haben also den 'Schwarzen Freitag' für die Banken erreicht, wie er genannt wurde, was zu anfänglicher Nervosität an den Märkten führte, und nun richten sich alle Augen auf die Öffnung der Märkte am [heutigen] Montag. All dies unter der Angst vor einem Dominoeffekt von (negativen) Entwicklungen, wobei die Frage bleibt: Haben wir 'unsere' Lektion aus der Krise von 2008 gelernt? Auf jeden Fall bleibt das Skelett im Schrank. Zusammen mit den Erinnerungen an eine Krise, die nie endete.“

Frankfurter Allgemeine Zeitung (DE) /

Prüfstein für die Regulierung

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hält es für verfrüht, die Pleite als Ausgangspunkt einer neuen Finanzkrise zu sehen:

„Der Kollaps der SVB geht auf eine fundamentale Fehleinschätzung seitens des Managements zurück. Die Idee war bestechend: Einlagen wurden in lang laufende Anleihen gesteckt, die in Zeiten von Niedrigzinsen attraktiv erschienen. Das Geschäft ging nicht auf ... . Wäre es klug, das Versagen des Management als Einzelphänomen abzutun? Auch hier lautet die Antwort: Nein. Es wird sich bald zeigen, welche Bank in ihren Büchern ähnlichen Zinssprengstoff bereithält. Die Antwort auf die Frage, ob die aus der Finanzkrise entstandene, oft als zu hart kritisierte Regulierung wirklich streng genug war, wird den Weg weisen, ob eine Finanzkrise 2.0 droht.“

The Daily Telegraph (GB) /

Einlagen sichern, aber nicht die Bank retten

Regierungen dürfen nicht die Fehler von 2008 wiederholen, warnt The Daily Telegraph:

„Die Einleger müssen geschützt werden, notfalls mit öffentlichen Mitteln. Wenn Sie Geld bei der Bank haben, müssen Sie auch dran kommen. Alles andere würde einen kompletten Vertrauensverlust in jegliche Finanzinstitutionen und schließlich auch Papierwährungen bedeuten. Allerdings sollten, anders als 2008 und 2009, die Banken selbst tatsächlich geschlossen werden. Wenn deshalb diejenigen verlieren, die Anteile daran halten, dann ist das eben Pech. Wir können nicht noch einmal für gescheiterte Banker bürgen.“

Webcafé (BG) /

Start-ups kollabieren ohne billiges Geld

Für Webcafé sind Tech-Start-Ups nicht mehr als heiße Luft:

„In Start-ups zu investieren, die riesige Geldsummen anhäufen, ohne etwas zu produzieren, funktioniert, solange man sich günstig finanzieren kann - was nicht mehr der Fall ist, seit die Fed die Zinsen erhöht hat. Auch in der Realwirtschaft ist es gefährlich, wenn die Zinssätze zu steigen beginnen, aber dort sind Sie durch den Eigenwert der von Ihnen verkauften Waren und Dienstleistungen abgesichert. ... Für ein Startup mit einer Idee für eine Hundefutter-Hausliefer-App kann die Erhöhung der Zinssätze jedoch das Ende sein, weil seine einzigen Einnahmen neue Investitionen in diese Idee sind. Es ist an sich nichts wert.“