Aufruhr um Altman-Weggang bei OpenAI

Sam Altman ist nicht mehr CEO des Softwareunternehmens OpenAI, das den KI-Chatbot ChatGPT entwickelt hat. Der 38-Jährige, der als eines der Gesichter des KI-Booms gilt, wechselt nach seiner überraschenden Entlassung zu Microsoft. Ein Großteil der Belegschaft fordert nun seine Rückkehr und droht mit Kündigung. Kommentatoren finden die Angelegenheit in mehreren Hinsichten bezeichnend.

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La Repubblica (IT) /

Totaler Kurzschluss

La Repubblica höhnt:

„Am Freitag wurde der Guru aus dem von ihm 2015 gegründeten Unternehmen OpenAI geworfen; am Samstag wurde er gebeten, zurückzukehren; am Sonntag wurde er von Bill Gates' Microsoft angeheuert und gestern stürzte sein altes Unternehmen ins Chaos. Mehr als 550 der 700 Mitarbeiter von OpenAI unterzeichneten einen Brief, in dem sie drohten, das Unternehmen zu verlassen und dem Gründer zu folgen, wenn der Vorstand nicht zurücktrete. Unter den Unterzeichnern befindet sich auch Ilya Sutskever, wissenschaftlicher Direktor und Schlüsselmitglied des vierköpfigen Vorstands, der Altman absetzte, was den totalen Kurzschluss bestätigt.“

Le Temps (CH) /

Alle müssen sich in die KI-Frage einbringen

Le Temps warnt:

„Eine Handvoll Personen - renommierte Wissenschaftler, Marketing-Asse, exaltierte Investoren - entscheidet über die Zukunft von KI. Und genauso über unsere Zukunft. Die Regulierungsversuche scheinen zu spät zu kommen und keinen Einfluss auf die wenigen Menschen zu haben, die im Silicon Valley die KI von morgen gestalten. ... So spielt sich die Zukunft in einem winzigen privaten kalifornischen Ökosystem ab, das über ohnehin noch unausgereiften Gesetzen steht, fernab von jeglicher öffentlichen Debatte. Das ist schwindelerregend und sollte uns daran erinnern, wie sehr der Staat, die Bürger, wir alle, uns in die Zukunft dieser so starken Technologien einbringen müssen.“

Süddeutsche Zeitung (DE) /

Vorläufiger Sieg der Vernunft über die Gier

Der Rauswurf von Sam Altman resultiert aus einem Konflikt zweier Denkschulen, erklärt die Süddeutsche Zeitung:

„Sam Altman gehört zur Schule des sogenannten Akzelerationismus, einer Wirtschaftsideologie aus den Neunzigerjahren. Die sieht die Beschleunigung des technischen Fortschritts ohne Rücksicht auf Gesellschaft und Menschheit als unausweichliche Zukunft. Altman war deswegen auch die treibende Kraft, aus dem ursprünglich gemeinnützigen Forschungsinstitut OpenAI eine profitorientierte Firma zu machen. ... [Mitgründer Ilya] Sutskever und Murati gehören dagegen zur alten Schule der Wissenschaft, die jede neue Erkenntnis und Technologie erst einmal Prüfungen und Praxistests unterzieht, bevor diese auf die Menschen losgelassen wird. Vorläufig haben sie sich durchgesetzt.“

Naftemporiki (GR) /

Ein Vorgeschmack auf weitere Konflikte

Naftemporiki vergleicht die Entwicklung mit einer gescheiterten Ehe:

„Was vor acht Jahren als glückliche 'Ehe' zwischen visionären Wissenschaftlern und Unternehmern begann, die an die KI-Revolution glaubten, endet in einer turbulenten Scheidung. ... Wenn es Kinder gibt, ist es gut, seine Worte abzuwägen. Aber in diesem Fall ist wohl das 'Kind' oder besser gesagt dessen Erziehung der Trennungsgrund. Mehreren Medien zufolge entstand die Kluft durch Differenzen darüber, wie und wie schnell sich künstliche Intelligenz entwickeln soll, welche Schutzmaßnahmen erforderlich sind und ob das Unternehmen gemeinnützig bleiben sollte. ... Diese Scheidung gibt uns einen Vorgeschmack auf die vielen harten Konflikte, die wir in den kommenden Jahren erleben werden, da die Bedeutung der KI wächst und mit ihr die Herausforderungen größer werden.“

De Standaard (BE) /

Regulierung ein zweischneidiges Schwert

Die Frage, wie man kommerzielle Interessen mit dem Allgemeinwohl versöhnen kann, bleibt für De Standaard bisher unbeantwortet:

„Die Affäre wirft neues Licht auf die Frage, inwieweit Aufsicht und Kontrolle bei der Entwicklung von künstlicher Intelligenz notwendig sind. Die Antwort liegt nicht auf der Hand. Die Innovationskraft, das viele Geld und das nachfrageorientierte Vorgehen gewinnorientierter Unternehmen sind große Trümpfe. Sie garantieren, dass sinnvolle Anwendungen Vorrang bekommen und dass Tempo gemacht wird bei der Entwicklung. Aber diese Trümpfe können auch Nachteile sein. Wissenschaftler haben bereits gesagt, dass die Geschwindigkeit der Entwicklung vielleicht zu hoch ist. Wenn es Entgleisungen oder Exzesse gibt, wer zieht dann die Notbremse?“