Euromaidan: Zehn Jahre danach

Vor zehn Jahren begannen Demonstrationen auf dem Kyjiwer Maidan-Platz für eine Anbindung an die Europäische Union, die mehrere Monate andauerten. Zeitweise Hunderttausende Protestierende bewirkten so den Sturz des russlandfreundlichen Präsidenten Viktor Janukowitsch. Kommentatoren diskutieren die Motive der Ukrainer und die Rolle des Auslands.

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BBC News Ukraina (UA) /

Kampf für glückliche Ukraine dauert an

Die "Revolution der Würde" ist unvollendet, schreibt Korrespondent Oleh Tschernysch auf BBC News Ukrajina:

„Die turbulenten Ereignisse von vor zehn Jahren gingen bereits in die Geschichtsbücher ein. Doch man wird das Gefühl nicht los, als wäre noch kein Schlusspunkt in dieser Sache gesetzt. Die Rede ist nicht nur davon, dass niemand von denen, die blutige Verbrechen während des Maidan begangen hatten, bestraft wurde. ... Ich glaube, das Paradoxe an der Maidan-Erinnerung verstanden zu haben. Seine Teilnehmer und Beobachter haben nicht das Gefühl, dass er vorbei ist. Der Kampf für die 'glückliche Ukraine der Zukunft' geht immer noch weiter.“

LRT (LT) /

Gegen Willkür und Ungerechtigkeit

Der Maidan basierte auf mehr als einer rein ethnisch-sprachlichen ukrainischen Verbundenheit, betont der Chefredakteur der Nachrichtenagentur Elta, Vytautas Bruveris, in Lrt:

„Ebenso wichtig, wenn nicht noch wichtiger, war der Protest gegen die Ungerechtigkeit, die Anmaßung und die Willkür der Behörden, nachdem diese rote Linien überschritten hatten. Es war auch ein sozialer Protest. ... Deshalb konnte man von den ersten Tagen an auf dem Maidan nicht nur Ukrainer verschiedener ethnischer Herkunft treffen, sondern auch Menschen aus fast allen Ecken der Welt. ... Der Maidan wurde zu einer Mischung: zum einen aus der traditionellen ethnisch-sprachlich-historischen ukrainischen Identität und zum anderen aus der, die die USA, die führende zivilgesellschaftliche Nation, in den ersten Worten ihrer Verfassung definiert haben: 'Wir, das Volk'.“

Jinov Svet (SI) /

Ein Machtwechsel von außen

Sašo Ornik vertritt auf seinem Blog Jinov Svet die offizielle russische Sichtweise auf die Proteste:

„In der westlichen Mythologie gilt dieses Ereignis als positives Beispiel einer Massenrebellion gegen eine korrupte Regierung, in Wirklichkeit handelte es sich jedoch um eine Ausnutzung der internen Spaltungen in einem Land, das nach Jahren der Misswirtschaft am Rande des finanziellen Zusammenbruchs stand, von außen. Der damalige ukrainische Präsident Janukowitsch hatte zwei Möglichkeiten: die Hilfe des Westens oder die Russlands anzunehmen. Er entschied sich für russische Hilfe.“

Echo (RU) /

Der Westen wollte Wahlen, keinen Umsturz

Filmregisseur Olexander Rodnjanskyi widerspricht in einem von Echo übernommenen Telegram-Post dem Kreml-Narrativ zum Maidan:

„Es gab keinen 'vom Westen unterstützten Putsch'. Dies ist das übliche Mantra der russischen Propaganda; es ist die Version, auf der Putin ständig beharrt - und sie wurde größtenteils zur Grundlage der heftigen Konfrontation mit dem Westen. ... Tatsächlich haben westliche Vermittler versucht, vorgezogene Wahlen zu vereinbaren. Putin muss sich daran erinnern können. Denn es war kein Zufall, dass [Außenminister] Lawrow den Vertreter des russischen Präsidenten, Wladimir Lukin, persönlich zurückpfiff, als dieser bereit war, am 21. Februar im Namen Moskaus seine Unterschrift unter das entsprechende Abkommen zwischen Janukowitsch und der Opposition zu setzen.“

Olessja Jachno (UA) /

Russland hat Maidan-Proteste nie verstanden

Moskaus Aggression gegen die Ukraine wird seine innenpolitischen Probleme nicht lösen, meint Politologin Olessja Jachno auf Facebook:

„In Russland hat man immer noch nicht verstanden, dass unsere Maidan-Proteste nicht der Wille einer bestimmten Gruppe sind und schon gar nicht eine Einmischung von außen. Es ist eine für die ukrainische Politik und Gesellschaft übliche Form der Reaktion auf Schieflagen und Ausdruck der zivilgesellschaftlichen Position. ... Dass Russland den Krieg begonnen hat, bedeutet auch, dass sich dort niemand mit der Lösung von Problemen im Innern beschäftigen will. Es ist viel einfacher, die Gesellschaft mithilfe eines äußeren Feindes in Angst zu halten. Ein falscher Ansatz: Letztlich wird Aggression nach außen innere Prozesse aktivieren.“