EU-Sondergipfel: Wird Orbán einlenken?

Kurz vor dem EU-Sondergipfel am Donnerstag steigt in Europa die Spannung: Wird Ungarn dem geplanten 50-Milliarden-Unterstützungspaket für die Ukraine zustimmen? Budapest hat bereits Kompromissbereitschaft signalisiert und Brüssel neue Bedingungen für ein Ja zukommen lassen. Zugleich schrieb die Financial Times, die EU erwäge, Ungarn im Falle eines Neins sämtliche EU-Gelder zu streichen – was Brüssel dementierte.

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Corriere della Sera (IT) /

Das alles entscheidende Treffen

Die Stunde der Wahrheit rückt näher, schreibt Corriere della Sera:

„Beim Europäischen Rat steht alles auf dem Spiel, es ist ein Moment der Wahrheit für alle: Für Budapest, das sich nach den Worten des luxemburgischen Außenministers Xavier Bettel 'entscheiden muss, auf welcher Seite der Geschichte es stehen will'; für die anderen 26 Staats- und Regierungschefs, die sich entscheiden müssen, ob sie sich von der Erpressung des magyarischen Tribuns befreien wollen oder nicht; und nicht zuletzt für die Regierung von Giorgia Meloni, die den Widerspruch auflösen muss zwischen ihrer erwiesenen pro-europäischen Berufung und der Versuchung, den 'Soldaten Orbán zu retten', der nie verprellt wurde, weder als Freund noch als Verbündeter im Lager der europäischen Rechten.“

Večernji list (HR) /

So starken Druck gab es noch nie

Mit der Kombination aus Artikel 7 und Sperrung aller Gelder könnte Brüssel einen neuen Hebel ausprobieren, so Večernji list:

„Das Aktivieren von Artikel 7 bedeutet Ungarn das Stimmrecht im EU-Rat zu entziehen und dies ist eine Drohung, die, als theoretische Möglichkeit, tatsächlich von manchen im Europäischen Rat befürwortet wird, als Druckmittel auf Orbán, damit er beim Gipfel am Donnerstag in Brüssel nachgibt. Doch nun scheint es, dass diese Drohung in Kombination mit der Sperrung aller EU-Fonds für Ungarn einhergehen könnte sowie dem Verlust des Vertrauens der Märkte und Investoren in Orbáns Heimat. Die Europäische Union hat so etwas noch nie irgendeinem Mitgliedstaat angetan.“

Kleine Zeitung (AT) /

Keine gute Basis für die Zukunft

Laut Kleine Zeitung fühlen sich sowohl die EU als auch Ungarn erpresst:

„Die 'internen Papiere' werden nur selten vom Wind aus einem offenen Bürofenster geweht. Wenn sie, so wie nun ein Dokument des EU-Ratsekretariats, wie durch Zauberhand bei der Financial Times landen, dann darf man eine gewisse strategische Überlegung dahinter vermuten. Das Papier, von dem die Rede ist, ist ein Wink mit dem Zaunpfahl für Viktor Orbán. ... Ungarn fühlt sich erpresst, die EU aber auch. Keine gute Basis für die Zukunft.“

Hospodářské noviny (CZ) /

Orbán hat immer noch Fico

Hospodářské noviny glaubt nicht an die Kompromissbereitschaft Ungarns, weil Viktor Orbán notfalls auf seinen neuen slowakischen Freund Robert Fico setzen könne:

„Der slowakische Premier stärkt Ungarn den Rücken und torpediert aus innenpolitischen Gründen die westliche Hilfe für die Ukraine. Offiziell hat er sich Orbán noch nicht angeschlossen, aber auf Arbeitsebene hat die Slowakei bereits erstmals Ungarns Forderungen gegenüber der Ukraine unterstützt. 'Fico erhöht die Unsicherheit darüber, wie der EU-Gipfel ausgehen wird', sagen diplomatische Quellen. ... Wenn sich Fico Orbán anschließt, geht der ungarische Premier straffrei aus.“

Iltalehti (FI) /

Russland muss gestoppt werden

Die EU darf die Ukraine jetzt nicht im Stich lassen, fordert Iltalehti:

„Die Unterstützung für die Ukraine ist auch für Finnland lebenswichtig. ... Wenn die Unterstützung für die Ukraine nachlässt, die EU schwächelt und der europäische Teil der Nato bei der Stärkung seiner eigenen Verteidigung nachlässt, dann hat Russland alle Trümpfe in der Hand. Alles, was dann noch fehlt, ist ein neuer US-Präsident, der sich nicht für die Verteidigung der östlichen Nato-Peripherie engagiert, sondern seinen Blick lieber auf China richtet. Dann hätte Russland freie Bahn für die Eroberung neuer Interessensphären. Um dieses Szenario zu verhindern, müssen Finnland und die EU jetzt alles tun, was möglich ist.“

Radio Kommersant FM (RU) /

Hauptsache, Gesicht wahren

Radio Kommersant FM prognostiziert, dass Ungarn den EU-Ukraine-Hilfen zustimmen wird:

„Budapest macht deutlich, dass es sich überreden lässt, aber nicht kapitulieren will - es gibt Bedingungen, die akzeptiert werden müssen. Vor diesem Hintergrund ist Szijjártó nach Uschhorod gereist. Er rief zu Verhandlungen im Ukraine-Konflikt auf und ist bereit, diese zu organisieren. Das zweite Thema sind die Rechte der Ungarn in der Ukraine. ... Szijjártó wird bei seiner Rückkehr wohl behaupten, dass er sich durchsetzen konnte und von Kiew zusätzliche Garantien für die gequälten Ukraine-Magyaren und gar Zusagen über Friedensverhandlungen erhalten habe - und ihm auch Gas versprochen wurde. So kann er sein Gesicht wahren und zustimmen, der Ukraine die versprochenen EU-Milliarden zu geben.“

Népszava (HU) /

Den Erpresser erpressen

Brüssel ist bereit zu drastischen Maßnahmen, meint Népszava mit Bezug auf Berichte von einem Geheimdokument, wonach Ungarns EU-Mittel bei einem Veto dauerhaft gekappt werden sollen:

„Wenn es einen Kampf geben muss, dann sei es so - das macht das von der Financial Times geleakte Dokument deutlich. Die EU hat die Nase endgültig voll von Ungarns Spielchen: Sollte Viktor Orbán auf dem Gipfel ein Veto gegen die Unterstützung für die Ukraine einlegen, würde die EU unsere Wirtschaft so hart angehen, dass sie das Land über die Kraft des Marktes in die Knie zwingen würde. ... Ungarns Regierung hat bewirkt, was unvorstellbar schien: Brüssel will einem Mitgliedstaat eine Lektion erteilen und sich nicht mehr allein auf die Blockierung von Geldern beschränken. Auf Erpressung würde Brüssel nun mit Erpressung antworten.“

Rzeczpospolita (PL) /

Die Schrauben anziehen

Ungarns Haltung bedroht Europa, betont Rzeczpospolita:

„Ungarn könnte die europäische Front der Unterstützung für die Ukraine sprengen und die Tore Europas für den russischen Imperialismus weit öffnen. ... All dies bedeutet, dass nur zwei Wege aus der Ungarn-Krise gangbar scheinen. Der beste ist, Orbán zu einem Gesinnungswandel zu zwingen. Aber wenn das nicht gelingt, ist die zweitbeste Option, das Land in der EU zu marginalisieren. Ein Verharren in der jetzigen Konstellation kann nur in die Katastrophe führen.“