Ukraine-Krieg: Könnte der neue Papst Frieden stiften?

Nach seinem Telefonat mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin hatte US-Präsident Donald Trump den Vatikan als Ort für Friedensgespräche im Ukraine-Krieg ins Spiel gebracht. Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni signalisierte, sie würde den neuen Papst Leo XIV. bei den Verhandlungen unterstützen. Laut Wall Street Journal könnten diese Mitte Juni beginnen.

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Tages-Anzeiger (CH) /

Glaubwürdiger global agierender Kleinstaat

Der Vatikan ist ein wahrlich neutraler Vermittler, meint der Tages-Anzeiger:

„Eine allzu aktive Rolle darf die Kirche sich nicht zutrauen, will sie sich nicht übernehmen. Aber mehr als Raum und die Getränke kann sie schon zur Verfügung stellen. Sie kann die ganze Erfahrung des einzigen global agierenden Staates der Welt beitragen. Der Vatikan kann auch in die Waagschale werfen, dass er der vielleicht einzige denkbare Vermittler ist, der im Ukraine-Krieg keine eigenen militärischen, politischen und wirtschaftlichen Interessen hat – er will auch keine 'Deals' machen: Das verleiht ihm eine grosse Glaubwürdigkeit.“

Radio Kommersant FM (RU) /

Hoffnungsträger mit moralischer Autorität

Radio Kommersant FM pflichtet Friedrich Merz bei, der den Vatikan als gut geeignete Verhandlungsplattform bezeichnet hatte:

„Wie der deutsche Bundeskanzler sagte, ist der Heilige Stuhl die 'letzte irdische Instanz', in der die Parteien 'zu einem konstruktiven Gespräch zusammenkommen können'. ... Der deutsche Regierungschef sagte, was allen klar ist: Der Einigungsprozess kann sich über viele Monate hinziehen. Man sollte sich keine Illusionen machen, eine schnelle Lösung gibt es nicht. ... Allerdings kann man auf den Heiligen Stuhl hoffen. Der neue Papst Leo XIV. macht keinen Hehl aus seinen Absichten, den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine zu lösen. Zwar hat er keinen klaren Plan, wie er das anstellen will, aber er hat Autorität.“

Népszava (HU) /

Der Vatikan hat eine gewisse Übung

Népszava schaut auf die diplomatische Geschichte des Vatikans:

„Wenn der russische Präsident wirklich zustimmt, Friedensverhandlungen am Sitz der katholischen Kirche zu führen, käme das einer echten Sensation gleich. Der Vatikan hat vor allem seit dem Pontifikat von Benedikt XV., dem 'Papst des Ersten Weltkriegs', eine lange Reihe der Friedensinitiativen in der Welt ergriffen. Eines der diplomatischen Meisterwerke war die Vermittlung von Johannes XXIII. während der kubanischen Raketenkrise. Ein 'vatikanischer Frieden' wäre jedoch der Höhepunkt dieser Bemühungen des Heiligen Stuhls.“

La Libre Belgique (BE) /

Multilateralismus und Diplomatie stärken

Für eine stärkere Rolle des Vatikans bei der Vermittlung von Frieden sieht La Libre Belgique gute Gründe:

„Erstens im Namen des Multilateralismus, der in den vergangenen Jahren stark gelitten hat und dem Leo XIV. neues 'Leben' einhauchen will. Zweitens im Namen der Grundidee der Diplomatie selbst, die von Wladimir Putin geleugnet und von Donald Trump zugunsten wirtschaftlicher Machtspiele karikiert wird. Und schließlich im Namen eines Verständnisses von Frieden, das – wie Leo XIV. betonte – weder 'die bloße Abwesenheit von Krieg' ist, noch 'die Totenstille nach einem Konflikt', noch 'das Ergebnis von Unterdrückung'.“

Jutarnji list (HR) /

Bedingungen für Kriegsende nicht erfüllt

Der auf internationale Politik spezialisierte Kolumnist Željko Trkanjec sieht in Jutarnji list aktuell wenig Chancen für Frieden:

„In diesem Moment sehe ich zwei Optionen, die zum Ende der russischen Aggression führen könnten. Die erste wäre eine drohende militärische Niederlage Kyjiws, wodurch dieses einen Großteil der russischen Bedingungen annehmen müsste. Die zweite wäre von Trump und dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping – oder von einem der beiden, sofern dieser die Unterstützung des anderen hätte – gemeinsam ausgeübter Druck auf Putin. Dies wird jedoch nicht geschehen, und vor uns liegt eine Fortsetzung des Krieges im Osten Europas. Vielleicht bis zu dem Punkt, bis eine der Seiten völlig erschöpft ist.“