Migration: Berliner Gericht verbietet Zurückweisungen

Asylsuchende, die bei Grenzkontrollen auf deutschem Gebiet angetroffen werden, dürfen nicht umgehend zurückgewiesen werden. So entschied das Berliner Verwaltungsgericht im Fall von drei Somaliern, die nach Polen ausgewiesen worden waren. Innenminister Alexander Dobrindt hatte im Mai eine Intensivierung der Grenzkontrollen angeordnet und Zurückweisungen erlaubt. Kommentatoren ziehen unterschiedliche Schlüsse aus dem Gerichtsentscheid.

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taz, die tageszeitung (DE) /

Innen- und außenpolitischer Reinfall

Das deutsche Vorgehen hat sowieso nicht funktioniert, stellt die taz fest:

„Die Zahl der Zurückweisungen pro Tag kann man deutschlandweit an ein, zwei Händen abzählen. ... Auch außenpolitisch waren die Zurückweisungen ein Reinfall. Die Nachbarstaaten lehnen das deutsche Manöver ab, statt sich ruchlos anzuschließen. In Polen wurde so die anti-deutsche Stimmung befeuert, die vielleicht sogar die knappe Präsidentenwahl entschieden hat. Und nun steht Deutschland als Staat da, der nach Trump-Manier sehenden Auges das Recht ignoriert hat. So kann man weder die EU führen noch Investoren nach Deutschland locken, denen die USA zu gaga geworden sind.“

The Spectator (GB) /

AfD profitiert von rechtlichem Gerangel

Das Urteil wird der AfD in die Hände spielen, warnt The Spectator:

„Die AfD hat sich als authentisches Sprachrohr für all diejenigen positioniert, die von der Unfähigkeit der etablierten Politik, Migrationsprobleme anzugehen, frustriert sind. Jedes zu einem strategischen Zeitpunkt fallende Gerichtsurteil gegen die Grenzpolitik der Regierung und jeder Koalitionskompromiss, der Reformambitionen verwässert, liefern weitere Munition für populistische Narrative über die Inkompetenz des Establishments und verstärken die Wahrnehmung der Wähler, dass die demokratische Regierungsführung von nicht rechenschaftspflichtigen Interessengruppen vereinnahmt wurde. ... Die Stabilität Europas könnte davon abhängen, ob demokratische Regierungen ihre Autorität bei der Umsetzung ihrer Politik bewahren können.“

Frankfurter Allgemeine Zeitung (DE) /

Die Regierung muss Kurs halten

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hofft, dass sich die Regierung nicht von ihren Plänen abbringen lässt:

„[Es] muss weiterhin Ernst gemacht werden mit dem übergeordneten Ziel – und auf der Grundlage von Sinn und Zweck des deutschen wie europäischen Asylrechts, dass Flüchtlinge ihren Antrag nicht erst in Deutschland stellen. Mit der Folge, dass die meisten hierher kommen und die allermeisten bleiben. Diese Herausforderung muss weiterhin gemeistert werden; europäisch durch Absprachen und gemeinsames Handeln, wenn möglich durch Anpassung der Rechtslage an die Wirklichkeit, zur Not aber auch durch nationales Voranschreiten, um das gemeinsame Ziel zu erreichen.“