Migration: EU-Emissäre in Ostlibyen vor die Tür gesetzt

EU-Migrationskommissar Magnus Brunner wollte am Dienstag in Begleitung der zuständigen Minister Italiens, Griechenlands und Maltas im de facto geteilten Libyen über Flüchtlingsfragen sprechen. In Tripolis gelang dies – doch das von der EU nicht anerkannte Regime im Osten Libyens verweigerte ihnen am Flughafen von Bengasi brüsk die Einreise. Welche geopolitischen Kräfte stecken dahinter – und welche Auswirkungen hat der Eklat auf die Migrationsproblematik?

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News247 (GR) /

Zwickmühle in der Migrationsfrage

Brüssel befindet sich nun in einer schwierigen Lage, betont das Webportal News247:

„General Haftar hat der europäischen Delegation die Tür vor der Nase zugeschlagen, aber auch die Übergangsregierung von Westlibyen hat Brunner, Plevris und Co. gesagt, dass 'das Thema Migration unsere Möglichkeiten übersteigt'. Natürlich könnte die EU - wäre der gestrige Vorfall nicht gewesen - Libyen in der Migrationsfrage Geld anbieten, wie sie es mit der Türkei getan hat. Aber an welches der beiden Regime? Die EU erkennt die Haftar-Seite nicht an, und die Ströme nach Kreta kommen hauptsächlich aus dem Osten Libyens.“

Liberal (GR) /

Haftar erhöht den Druck auf Europa

Das Webportal Liberal sieht eine kritische Situation - vor allem für Griechenland:

„Eine Verständigung mit Libyen war noch nie einfach, aber dass der Versuch, die seit 14 Jahren andauernde politische Krise zu beenden, nun in die Endphase zu gehen scheint, wobei beide Seiten – West- und Ostlibyen – darum wetteifern, wer mehr internationale Unterstützung und 'Instrumente' erhält, um Druck insbesondere auf die EU auszuüben, macht die Sache noch komplizierter. … Nach den Entwicklungen [vom Dienstag] befinden wir uns in einer hochriskanten Phase, da Ostlibyen versuchen wird, von Europa als zweiter Machtpol in Libyen anerkannt zu werden, indem es die Tausenden von Migranten und Flüchtlingen, die in Tobruk und Derna darauf warten, sich den Routen der Sklavenhändler nach Kreta anzuschließen, als Druckmittel einsetzt.“

La Stampa (IT) /

In Libyen zählt nur das Öl

Italien macht sich Illusionen, wettert La Stampa:

„Keine der Definitionen, mit denen wir das Land beschreiben, an dem wir interessiert sind, weil es weiterhin Gas und Öl zu uns pumpen soll, aber keine Menschen, hat auch nur den geringsten Bezug zur Realität. ... Die von der Uno anerkannte Regierung in Tripolis existiert nicht, Premier Abdulhamid Dbeiba mit seiner lächerlichen Exekutive der 'nationalen Einheit' ist eine Marionette; General Haftar ist eine Marionette Russlands und Ägyptens, die ihn in Bengasi auf einem Pappthron sitzen lassen, weil sie die Kontrolle über das ölreiche Ostlibyen und die strategische Region Fezzan im Süden brauchen. ... Die Sicherheitskräfte, die Polizei, die Küstenwache, die Marine, die Zentralbank – das sind alles nur Worte. Das einzige, was real ist und worum sich alles dreht, ist das verdammte Öl.“

Der Standard (AT) /

Moskau lässt grüßen

Im Osten Libyens zieht Russland die Fäden, erklärt Der Standard:

„Magnus Brunner und Minister aus Italien, Griechenland und Malta wurden am Dienstag mit der libyschen Realität, der tiefen Spaltung des Landes, konfrontiert: Wer sich für Tripolis im Westen entscheidet, ist in Bengasi im Osten nicht willkommen. ... Im Osten herrscht Khalifa Haftar mit seiner Libyschen Nationalen Armee (LNA). ... Haftar, der versucht, sich als einzige stabile staatstragende Kraft Libyens darzustellen, profitiert vom Sturz Assads in Syrien: Bengasi ist Russlands neue strategische Hochburg am Mittelmeer, die al-Khadim-Militärbasis der wichtigste Stützpunkt für das russische 'Afrika-Corps'. Die Botschaft an die EU kam demnach nicht nur aus Bengasi, sondern auch aus Moskau.“

La Repubblica (IT) /

Auch Trump mischt mit

In Libyen überschneiden sich sehr viele Interessen, warnt La Repubblica:

„Seit dem Tod Gaddafis ist die Macht in Libyen gelinde gesagt zersplittert, aber im Moment ist Europa, und insbesondere Italien, an allen Fronten in Schwierigkeiten. Das neue Szenario wird auf die Politik der Trump-Administration zurückgeführt, die ihren eigenen Einigungsplan verfolgt und die Kanzleien des alten Kontinents ausschließt. … Auf Betreiben des Weißen Hauses zeichnet sich eine globale Verständigung über die Zukunft des Landes und seines Wohlstands ab. Die US-Vermittlung gleicht langsam die Gegensätze zwischen der Türkei als dem Hauptbezugspunkt Tripolis' und Ägypten, dem Beschützer Bengasis, aus – ein Prozess, der auch Russland nicht zu missfallen scheint.“