Nestlé-Chef wegen Liebesbeziehung gekündigt
Das Schweizer Nahrungsmittelunternehmen Nestlé hat Konzernchef Laurent Freixe mit sofortiger Wirkung entlassen. Damit muss Freixe nur ein Jahr nach seinem Amtsantritt gehen. Er sei gekündigt worden, weil er eine "romantische Beziehung" zu einer ihm direkt unterstellten Mitarbeiterin nicht offengelegt habe, hieß es. Der Verwaltungsrat sah einen Verstoß gegen den Nestlé-Verhaltenskodex und interne Richtlinien.
Entlassung ist kleinlich und erniedrigend
Le Point hinterfragt die Entscheidung des Verwaltungsrats:
„Inwiefern kann die Zusammenarbeit mit der Partnerin, der Lebensgefährtin oder der Geliebten die Leistung beeinträchtigen? Pierre und Marie Curie arbeiteten zusammen, und die Wissenschaft hatte keinen Grund zur Klage. Dasselbe gilt für Sophie und Marcellin Berthelot [den Chemiker und Politiker] sowie für [Modedesigner] Yves Saint Laurent und [dessen Lebensgefährten] Pierre Bergé und auch für Victoria und David Beckham. Kurzum: Dieses Argument ist nicht stichhaltig. Es handelt sich um Tyrannei, das heißt, um den Wunsch nach Bosheit, der sich in kleinlichen und erniedrigenden Methoden ausdrückt.“
Affären können Gift für Firmen sein
Unternehmen tun gut daran, hierarchieübergreifende Beziehungen zu untersagen, meint hingegen La Tribune de Genève:
„Firmeninterne Verhaltenskodizes dienen einem klaren Zweck. Sie sollen den Missbrauch von Macht zum persönlichen Vorteil verhindern und Interessenkonflikte vermeiden. Beziehungen zwischen Vorgesetzten und Untergebenen (fast immer Frauen) können zu Problemen von Ungleichbehandlung führen, die Atmosphäre vergiften und den Erfolg des Teams beeinträchtigen. In diesem Fall war die Entlassung offenbar auf die Heimlichkeit des Managers zurückzuführen, die das Vertrauensverhältnis zum Verwaltungsrat zerstörte.“
Eigentlich sollte der Verwaltungsrat abtreten
Libération kritisiert die Scheinheiligkeit der Führungsetage des Nahrungsmittelkonzerns:
„Nestlé-Verwaltungsratspräsident Paul Bulcke und die zwölf anderen Verwaltungsratsmitglieder, die Laurent Freixes Entlassung beschlossen haben, wären gut beraten, diesen 'Verhaltenskodex' auf sich selbst anzuwenden und unverzüglich zurückzutreten. Nestlé preist 'Gutes Essen, gutes Leben' an, ein Firmenslogan, der sich als ziemlich überholt erwiesen hat, seit bekannt wurde, dass der multinationale Konzern vorsätzlich über die Qualität seiner Wassermarken Perrier, Contrex und Hépar gelogen hatte. ... Diese waren an der Quelle mit Fäkalbakterien verunreinigt und dann in voller Kenntnis der Sachlage illegal gefiltert worden, um zynisch an Millionen von Verbrauchern verkauft zu werden.“