Ex-Premier Babiš gewinnt Wahl in Tschechien
Die Ano-Partei von Andrej Babiš hat die Parlamentswahl in Tschechien mit 34,5 Prozent der Stimmen gewonnen. Damit steht der ehemalige Regierungschef nach vier Jahren in der Opposition vor einem Comeback. Kommentatoren analysieren, worauf der Erfolg des Milliardärs fußt und fragen sich, ob Tschechien seinen bisherigen pro-europäischen und pro-ukrainischen Kurs verlässt.
Noch ein populistischer Messias
Viele Tschechen sehen in Babiš einen Retter, meint Český rozhlas:
„In einer unsicheren, kriegsgeschüttelten und unberechenbaren Welt weigerte sich mehr als ein Drittel der Wähler, über realistische und rationale Lösungen für unsere Probleme nachzudenken, und beschloss, ihre Zukunft einem Mann anzuvertrauen, der in der Lage war, unglaublich schnell ein Versprechen nach dem anderen zu verbreiten, ohne sich darum zu kümmern, ob diese glaubwürdig und einlösbar sind. ... Babiš klarer Sieg ähnelt jenen von Donald Trump und anderen populistischen Politikern wie Viktor Orbán oder Robert Fico. Es ist der Sieg eines Messias, von dem die Menschen glauben, dass er sie retten wird.“
Frage des Lebensstandards war entscheidend
Hospodářské noviny erklärt das Wahlergebnis so:
„Bei diesen Wahlen ging es darum, welches Narrativ sich durchsetzt: das der Regierung, das auf der Notwendigkeit der zivilisatorischen Verteidigung gegen das aggressive Russland basierte, oder das der Opposition, das innenpolitische Themen wie Energiepreise, Wohnungsbau und Realeinkommen in den Vordergrund stellte. Und die Tschechen entschieden sich mehrheitlich nach dem Sprichwort: Das Hemd ist uns näher als der Rock. Die Frage des Lebensstandards gewann auf ganzer Linie. ... Nur eine Minderheit stellte sich die Frage, was eine billige Wohnung nützt, wenn sie von einer russischen Rakete getroffen wird.“
Munitionslieferungen an Kyjiw in Gefahr
LB.ua zeigt sich besorgt:
„Babiš hat wiederholt erklärt, er werde im Falle eines Wahlsieges die Initiative zur Lieferung von Munition an die Ukraine einstellen. Der Ano-Vorsitzende und mehrere Politiker seiner Partei behaupten, für dieses Programm würden zu viele Steuergelder ausgegeben – was jedoch nicht der Wahrheit entspricht, da sämtliche Kosten von anderen EU-Staaten getragen werden. Der tschechische Präsident bemüht sich, Babiš davon zu überzeugen, die 'Tschechische Initiative' nicht zu beenden. … Babiš könnte also das Format der tschechischen Initiative zur Lieferung von Artilleriegeschossen an die Ukraine verändern, um seine Wahlversprechen einzulösen. Eine mögliche Option wäre, das Programm unter das Dach der Nato zu stellen.“
Für die EU wird es kompliziert
NRC sieht im Wahlsieg von Babiš ein Problem für die EU:
„Seine Wahl ist Teil eines für die EU besorgniserregenden Trends in Mittel- und Osteuropa. ... Die europäische Einigung verläuft also nicht reibungslos. Länder, die in den letzten Jahren stark von den wirtschaftlichen Vorteilen, die ihnen die EU gebracht hat, profitierten, sind weniger begeistert von dem, was die Union im Gegenzug verlangt: Solidarität und die Bereitschaft, Probleme gemeinsam zu lösen. In den kommenden Jahren steht Europa vor einer komplizierten Aufgabe: Tschechien und andere Länder im Osten in die EU einzubinden, ohne die Ideale und Grundsätze der Union zu opfern.“
Kein Grund zur Sorge
Rzeczpospolita glaubt nicht, dass Tschechien sich nun komplett vom Kurs der bisherigen liberal-konservativen Regierung unter Petr Fiala verabschieden wird:
„Die Regierungskoalition und ihre Verbündeten stellten diese Wahlen als einen Kampf zwischen Europa und dem Westen einerseits, den sie zu repräsentieren glauben, und den Populisten und Extremisten andererseits, die mit Russland kollaborieren, dar. Das klingt im Wahlkampf gut, spiegelt aber nicht unbedingt die tatsächliche Trennlinie in der tschechischen Gesellschaft wider. ... Präsident Petr Pavel wird sicherlich nicht zulassen, dass wichtige Positionen in der Außen- und Sicherheitspolitik mit Extremisten besetzt werden. Und Babiš scheint das zu verstehen. Am Samstagabend verkündete der Präsident optimistisch, dass die Ergebnisse eindeutig 'die pro-westliche Ausrichtung unseres Landes' bestätigt hätten.“