Massaker im Sudan – warum schaut die Welt zu?

Nach der Einnahme von Al-Faschir, der Hauptstadt der sudanesischen Provinz Nord-Darfur, Ende Oktober durch die Miliz RSF ist die Lage dort katastrophal: Berichten zufolge wurden innerhalb von drei Tagen mindestens 1.500 Zivilisten in der Stadt von den RSF getötet, laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) mehr als 460 davon in einem Krankenhaus. Europas Medien beklagen Untätigkeit verschiedener Akteure.

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Público (PT) /

Kalte Berechnung geopolitischer Interessen

Dass dieser Krieg nicht angemessen beachtet wird, ist eine bewusste Entscheidung, schreibt Público:

„Im Herzen Afrikas erlebt ein Land, das durch Jahrzehnte der Diktatur, Staatsstreiche und Bürgerkriege erschöpft ist, heute eine humanitäre Katastrophe epischen Ausmaßes – und die Welt, mitschuldig durch ihre Untätigkeit, schaut schweigend zu. ... Das Grauen im Sudan lässt sich nicht nur durch die Barbarei seiner Kriegsherren erklären. Es lässt sich auch durch das Schweigen derer erklären, die handeln könnten, aber es nicht tun. Es lässt sich durch die kalte Berechnung der Mächte erklären, die menschliches Leben an geopolitischer Nützlichkeit messen. Es lässt sich durch eine gelähmte Uno, ein abgelenktes Europa und ein verlassenes Afrika erklären.“

The Times (GB) /

Ignorieren beendet keine Kriege

Eine globale Supermacht wie die USA kann es sich nicht leisten, sich von der Region abzuwenden, rügt The Times:

„Weil sich die USA offensichtlich heraushalten, wittern die Vereinigten Arabischen Emirate ihre Chance, ein Netzwerk von Häfen, darunter Port Sudan, am Roten Meer und entlang der strategisch wichtigen Seewege und Stützpunkte der afrikanischen Küsten aufzubauen. Sie verfügen über das Militär, die Technologie und die finanziellen Mittel. Ein vorzeitiges Kriegsende im Sudan könnte dieses Vorhaben zunichtemachen. Das Kernproblem bleibt jedoch die im Weißen Haus vorherrschende Ansicht, dass bestimmte Kriege in der Ferne keine Rolle spielen und dass sie aufhören, wenn man sie für irrelevant erklärt.“

De Volkskrant (NL) /

EU schließt lieber Deals

De-Volkskrant-Kolumnistin Ana van Es klagt, dass Europa weiter mit den Vereinigten Arabischen Emiraten Handel treibt, die laut Beobachtern die RSF-Miliz militärisch unterstützen:

„Die Handelsbeziehungen mit den Emiraten wiegen schwerer als der Massenmord im Sudan. Im vergangenen Frühjahr, wenige Tage nachdem Hunderte von Frauen und Kinder im Flüchtlingslager Zamzam in der Nähe von Al-Faschir getötet worden waren, begann Europa, mit den Emiraten über ein Freihandelsabkommen zu verhandeln. ... Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, sieht zwischen der EU und den Emiraten 'gemeinsame Werte' und 'gemeinsame Prioritäten'. Die Verhandlungen werden trotz des Krieges im Sudan fortgesetzt. Ein guter Deal ist offenbar wichtiger als die Wüste, die sich tatsächlich rot färbt. “

Le Monde (FR) /

Erneute Teilung des Landes wird hingenommen

Das Ausland redet über den Sudan, tut aber nichts, konstatiert Le Monde:

„Leider hat keine der Großmächte, die sich offiziell um das Schicksal der Sudanesen besorgt zeigen, auch nur die geringste Rechenschaft von denjenigen verlangt, die das Chaos fördern. ... Die Unfähigkeit der am 24. Oktober in Washington versammelten Länder [USA, Ägypten, Saudi-Arabien, VAE], auch nur die geringste gemeinsame Entscheidung zu treffen, während das Schicksal von al-Faschir noch nicht besiegelt war, ist umso schockierender. Keine der anwesenden Mächte erwähnt die Gefahr einer weiteren Teilung des Landes nach der Abspaltung des Südsudans 2011. Ohne Verhandlungen wird die Logik eines Krieges, bei dem kein Lager Oberhand über das andere gewinnt, jedoch unweigerlich dorthin führen.“

Tages-Anzeiger (CH) /

Die Mörder haben freie Hand

Der Tages-Anzeiger ist ernüchtert angesichts der internationalen Passivität:

„[A]ngesichts der Prioritäten der Diplomatie, die sich ganz auf Nahost und die Ukraine konzentriert, weist nichts darauf hin, dass sich die RSF jetzt beeindrucken lässt, wenn sich die Vereinten Nationen 'zutiefst alarmiert' zeigen von den Geschehnissen in Fashir. RSF-Kommandeur Mohamed Hamdan Dagalo weiss: Niemand wird in diesem entlegenen Teil der Welt militärisch intervenieren, um Kriegsverbrechen zu ahnden. ... Die Gefahr ist gross, dass sich in Fashir in noch viel grösserer Dimension wiederholt, was die Miliz RSF in Junayna in Westdarfur längst verbrochen hat: Dort wurden Tausende Menschen mutmasslich deshalb getötet, weil sie einer bestimmten nicht arabischen Ethnie angehörten.“

tagesschau.de (DE) /

Waffenlieferanten unter Druck setzen

Tagesschau.de sieht die gesamte Weltgemeinschaft gefordert:

„Die Methode Trump – maximalen Druck auf die direkten Kriegsparteien auszuüben – kann helfen, um eine Waffenruhe zu erreichen. In weiteren Schritten sind dann auch die Vereinten Nationen, die Europäische Union und die internationale Strafgerichtsbarkeit gefordert. Der Druck auf Waffenlieferanten wie die Vereinigten Arabischen Emirate muss erhöht werden – auch durch öffentliche Bloßstellung: Wer an Abu Dhabi und Dubai denkt, sollte nicht nur Formel 1 und Schokolade im Kopf haben, sondern auch getötete Kinder in Darfur.“