Gespräch zwischen Witkoff und Uschakow: Ein Skandal?

Eine Enthüllung von Bloomberg sorgt für Aufregung. Das Portal veröffentlichte einen Dialog, bei dem es sich um die Transkription eines Telefonats zwischen Steve Witkoff und Juri Uschakow am 14. Oktober handeln soll. In vertrautem Ton gibt der US-Sonderbeauftragte Putins außenpolitischem Berater darin Tipps, wie Putin mit Trump umgehen solle. Europas Presse versucht eine Einordnung.

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Telegram (HR) /

Entweder nur unfähig – oder schlimmer

Telegram wettert:

„Steve Witkoff ist ein reicher Bauunternehmer ohne Erfahrung in der Politik, und Trump hat ihn zum Sondergesandten für Friedensverhandlungen gemacht, weil die beiden zusammen Golf spielen. Die von Bloomberg veröffentlichten Transkripte der Gespräche bestätigen, dass Witkoff entweder seiner Aufgabe in den höchsten Sphären der Diplomatie nicht gewachsen ist oder als Agent für die Interessen Russlands agiert. Es besteht sogar der Anschein, dass beide Annahmen zutreffen könnten.“

Echo (RU) /

Aufregung ist aufgebauscht

Der Politologe Wladimir Pastuchow erklärt in einem von Echo übernommenen Telegram-Beitrag, warum an dem Vorgang nichts Besonderes ist:

„Der Hype rund um diese Mitschrift ist mit der Interferenz zweier psychologischer Wellen verbunden: einerseits dem leidenschaftlichen Wunsch, den Trump-Plan als Spezialoperation des Kremls zu entlarven und Trump selbst als russischen Agenten, und mit dem völligen Unwissen in der Frage, wie solche Vermittlermissionen ablaufen. ... Sollte Trumps Plan letztendlich auch schiefgehen (die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch), dann nicht wegen des Durchsickerns des Gesprächs. ... Ich fürchte, dass der Hype über dieses Leck stark übertrieben ist.“

Eesti Ekspress (EE) /

Eine gefährliche Schnittmenge

Eesti Ekspress sieht gemeinsame Interessen zwischen Trump und Putin:

„Die Ukraine strebt nach vollständiger staatlicher Souveränität, nach Sicherheitsgarantien sowie dem Recht, über die Größe und Struktur ihrer Streitkräfte selbst zu entscheiden. Putin braucht einen Sieg oder eben etwas, das er dem russischen Volk als Sieg verkaufen kann. Trump will den Friedensnobelpreis und den Ruhm, als Staatschef in die Geschichte einzugehen, dem es gelang, binnen eines Jahres neun Kriege zu beenden. Europa braucht vor allem eine starke und unabhängige Ukraine, die ein sicherer Schutzschild für die EU gegen ein aggressives und unberechenbares Russland ist. Wir stellen fest, dass die Interessen der Ukraine und Europas übereinstimmen. Und auch die Interessen von Trump und Putin liegen ziemlich nah beieinander.“

Forum24 (CZ) /

Unwahrscheinlich, dass Trump Konsequenzen zieht

Forum24 kommentiert:

„Der Punkt ist, dass Witkoff laut einer von Bloomberg veröffentlichten Aufnahme den Russen offen Ratschläge gab, wie sie Trump ansprechen sollten, um ihn von ihrer Position zu überzeugen. Laut Trump ist dies ein normaler Bestandteil von Verhandlungen. Natürlich, aber nur dann, wenn Witkoff für Russland und nicht für die USA verhandelt. ... Das ist ein bisschen so, als würde Ihr Anwalt der Gegenseite Ratschläge geben, wie sie mit Ihnen umgehen soll, um ihre Ziele zu erreichen. Sie würden einen solchen Anwalt wahrscheinlich schnell entlassen. Doch Trump hält zu Witkoff. Der Präsident gibt Fehler ungern zu. Daher ist es unwahrscheinlich, dass er Witkoff loswerden will.“

Süddeutsche Zeitung (DE) /

Katastrophales Signal in Bezug auf Taiwan

Die Süddeutsche Zeitung stellt fest:

„Die USA sind nicht 'unparteiischer Schiedsrichter' im Ukraine-Konflikt, wie Trump immer behauptet. Sie schlagen sich auf die Seite Russlands. ... [D]ass Witkoff dem Russen ohne jegliche Einschränkung das Recht auf Annexion weiter Teile der Ukraine zugesteht, ist mehr als nur diplomatische Einfältigkeit. Es ist geopolitisch katastrophal: Was wird sich etwa die chinesische Führung mit Blick auf Taiwan nun wohl denken? Es ist prinzipienlos: Internationales Recht wird ohne Nachdenken beiseitegeräumt. ... Trump und Witkoff haben Amerikas Glaubwürdigkeit verspielt.“

France Inter (FR) /

Die richtigen Lehren ziehen

Trotz der Enthüllungen sind die USA weiterhin unverzichtbar, betont Kolumnist Pierre Haski in France Inter:

„Die erste Lehre aus diesem Vorfall ist, dass zwischen der Trump-Administration und dem Kreml Einverständnis herrscht. ... Es beruht auf der Überzeugung, dass man sich mit Putin verständigen müsse und nicht mit dem angegriffenen Land, der Ukraine, die zu schwach sei und 'nicht die Karten in der Hand habe', wie Trump zu Selenskyj im Oval Office gesagt hatte. Die zweite Lehre ist, dass die USA nicht mehr als Führungsmacht eines westlichen Lagers respektiert werden können, das es so nicht mehr gibt. Sie bleiben aber die führende Weltmacht, und daher kann niemand, angefangen bei den Europäern, die sich in einer Position der Schwäche befinden, auf sie verzichten.“