EU-Kommission mischt sich in Grexit-Debatte ein

Die EU-Kommission hat am Montag bekräftigt, dass ein griechischer Austritt aus der Eurozone laut EU-Verträgen nicht möglich ist. Wenn dem so ist, können Staaten nicht zu Reformen gezwungen werden, meinen einige Kommentatoren. Andere glauben, dass die Union nicht mehr um einen kompletten Schuldenschnitt für Griechenland herumkommt.

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Neue Zürcher Zeitung (CH) /

Euro-Rausschmiss muss möglich sein

Die EU darf reformunwillige Mitgliedsstaaten nicht länger durchfüttern, meint die liberal-konservative Neue Zürcher Zeitung und wünscht sich eine ernsthafte Debatte über mögliche Ausschlüsse aus dem Eurosystem: "Es wäre ... begrüssenswert, wenn der Verbleib eines jeden einzelnen Mitglieds in der Euro-Zone nicht länger als 'alternativlos' betrachtet würde. Solange dies nämlich der Fall ist, kämpfen Appelle zu strukturellen Reformen und finanzpolitischem Masshalten mit einem inhärenten Anreizproblem. So entspricht es seit Jahren einem stillschweigenden Konsens innerhalb des Euro-Raumes, dass Mitglieder selbst dann von der Transferunion durchgefüttert werden, wenn ihre Politiken gänzlich quer stehen zu den Prinzipien des Stabilitätspaktes. Die Folgen solchen Leichtsinns zeigen sich seit Jahren in Frankreich und Italien. Die beiden Länder dürfen bei ihren Misserfolgen bezüglich Defizit- oder Schuldenabbau stets aufs Neue mit grösster Nachsicht rechnen. Dass dies dem Reformelan wenig förderlich ist, überrascht kaum."

The Guardian (GB) /

Nur Schuldenerlass kann Währungsunion retten

Europa muss sich endlich eingestehen, dass die hohen Rückzahlungspflichten für Krisenländer wie Griechenland nicht erfüllbar sind und nur ein Schuldenschnitt helfen kann, mahnt die linksliberale Tageszeitung The Guardian: "Wenn Europa nicht nur seine Währung, sondern auch seine Wirtschaft retten will, muss es sich einig werden, zunächst seiner Zentralbank die klare Vollmacht zu erteilen, alles Notwendige zu tun. In weiterer Folge muss es vereinbaren, einen frischen und substanziellen Schuldenerlass für den Süden zu verhandeln, der dessen Rückzahlungspflichten auf ein Niveau reduziert, die sich in der Vergangenheit als erfüllbar erwiesen hatten. Europa war am Höhepunkt der Krise imstande, sich mehr Zeit zur Lösung seiner Probleme zu verschaffen, als viele für möglich hielten. Doch 2015 könnte das Jahr sein, in dem ein weiterer Aufschub unmöglich ist. Europa könnte an jenem Punkt angelangt sein, an dem es schlicht keine weitere Zeit mehr hat."

La Repubblica (IT) /

Grexit-Debatte hemmt EZB-Anleihenkauf

Die Debatte um einen Grexit stellt das EZB-Staatsanleihenkaufprogramm in Frage und wird damit zu einer Gefahr für ganz Europa, analysiert die linksliberale Tageszeitung La Repubblica: "Die Gefahr der Renationalisierung der Währungspolitik als Folge eines möglichen griechischen Austritts aus der Euro-Zone könnte den EZB-Rat veranlassen, die Entscheidung über die angekündigten Maßnahmen erneut zu verschieben. Die europäische Wirtschaft kann sich aber keine Verzögerung der EZB-Stoßtherapie mehr leisten. Dies erklärt vielleicht, warum sich gestern die EU-Kommission bis zur Unwiderrufbarkeit der Mitgliedschaft vorgewagt hat. ... Zumal sich für EZB-Chef Mario Draghi das kleine Griechenland als weitaus tückischeres Hindernis entpuppen könnte als der Widerstand der großen Bundesbank. Sollte der Kleinkrieg zwischen Athen und Brüssel die Handlungsbereitschaft der EZB lähmen, wäre der Schaden, den Griechenland Europa zufügt, tatsächlich von unschätzbarem Ausmaß."

Delo (SI) /

In der Wirtschaftspolitik fehlt eine echte Strategie

Die neue Grexit-Debatte offenbart, dass trotz der Krisen der vergangenen Jahre grundlegende Fragen der Wirtschaftspolitik noch immer nicht geklärt wurden, konstatiert die linksliberale Tageszeitung Delo: "Sogar Staaten, wie die USA oder Großbritannien, die sich nach dem Finanzdebakel der Bank Lehman Brothers und dem gigantischen Defizit Griechenlands erholt haben, haben keine einheitlichen Antworten. Geschweige denn Länder, die wie Japan seit Jahrzehnten versuchen, wieder auf die Beine zu kommen. Ebenso in Europa: Während die Linke in Griechenland in Erwartung eines Sieges der Partei Syriza ihr Haupt wieder erhebt, warnen Deutschlands Konservative vor den Folgen [eines Grexits]. Auch wenn der Führer der Syriza, Alexis Tsipras, seinen etwaigen Sieg als den Beginn dringender Veränderungen in ganz Europa betrachtet, deutet Deutschland an, dass sein Land ohne Wirtschaftsreformen und Schuldenbegleichung näher an die Drachme rückt."