London baut Mauer am Eurotunnel

Großbritannien will mit einer Betonmauer in Calais Flüchtlinge daran hindern, den Eurotunnel zu passieren. Der Bau ist Teil eines 20-Millionen-Euro-Plans, mit dem London und Paris den Grenzschutz verstärken wollen. Für einige Kommentatoren stellt der Mauerbau der EU ein Armutszeugnis aus. Andere halten die Barriere für einen angemessenen Grenzschutz.

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The Daily Telegraph (GB) /

Ohne Grenzen und Mauern geht es nicht

Angesichts der massiven Flüchtlings- und Wanderbewegungen, die Europa selbst heraufbeschworen hat, führt kein Weg am Errichten neuer Barrieren vorbei, verteidigt der Daily Telegraph:

„Überall auf dem europäischen Kontinent werden Grenzen errichtet - von der griechisch-mazedonischen Grenze, entlang der gesamten, von Flüchtlingen früher genutzten Balkanroute bis nach Nordeuropa. Jedes Land, das andere Länder dafür kritisierte, tat innerhalb weniger Wochen schließlich selbst genau das, was es zuvor bei den anderen bekrittelt hatte. Das stellt kein Scheitern dar. Viel mehr wäre es ein Scheitern, es nicht zu tun. Die Massenmigration, die Europa in den vergangenen Jahren gefördert hat, wird spürbar. Und eine der politischen Konsequenzen ist die Wiedererrichtung von Grenzen.“

Il Sole 24 Ore (IT) /

Nach dem Eurotunnel kommt die Euromauer

Die Mauer von Calais ist ein Armutszeugnis, konstatiert die Wirtschaftszeitung Il Sole 24 Ore:

„Nach dem Eurotunnel sind wir also bei der Euromauer gelandet. Ein untröstliches Zeichen des Wandels der Zeiten, eines Europas, das zerfällt statt zusammenzuwachsen. Eines Europas, das unfähig ist, sich den Herausforderungen zu stellen, auf die es nicht vorbereitet war und auf die es nicht zu reagieren vermag. Es fängt damit an, dass wir offenbar nicht mehr zwischen 'Wirtschaftsflüchtlingen' und 'Asylbewerbern' unterscheiden wollen. Weiterhin sind wir unfähig, vorhandene Gesetze und unterzeichnete Verträge geltend zu machen. ... De facto ist die Mauer ein weiterer Schritt, das Problem abzudrängen: Jede Barriere, die im Norden errichtet wird, wälzt die Bürde unvermeidbar auf den Süden ab. Und schuld daran ist die Unfähigkeit der EU, gemeinschaftliche Lösungen für ein Problem zu finden, das die gesamte gemeinschaftliche Konstruktion zu sprengen droht.“

De Standaard (BE) /

Die Schande am Ärmelkanal

Die geplante Mauer in Calais wird das Problem nicht lösen, klagt De Standaard:

„Der sogenannte Dschungel von Calais ist eine Schande auf europäischem Boden. Die Art und Weise, wie der französische Staat das Problem hat ausufern lassen, ist nur schwer mit den Werten zu vereinbaren, auf die sich die République so gerne beruft.. ... Die Briten sind allerdings auch nicht unschuldig, im Gegenteil. ... Und nach dem Brexit werden sie sich noch weniger um das Problem kümmern. ... Vielleicht sollte Europa fordern, dass eine anständige Lösung für Calais Bestandteil der Brexit-Regelung wird. Die Schande von Calais zeigt einmal mehr, dass nur eine breite europäische Zusammenarbeit und Solidarität das Flüchtlings- und Migrationsproblem lösen können. Doch diese Solidarität gibt es nicht. Zu viele Mitgliedsländer schieben den Schwarzen Peter anderen zu.“

Mediapart (FR) /

Nicht die Flüchtlinge haben Calais verdorben

Seit Wochenbeginn demonstrieren in Calais Anwohner und Lkw-Fahrer gegen die Flüchtlinge im als Dschungel bezeichneten Camp. Ein Vorwurf ist, die Migranten seien für den Niedergang der Stadt verantwortlich. Das ist Unsinn, entgegnet die Calaiserin Nancy Bélart auf ihrem Blog bei Mediapart:

„Calais ist eine Hafenstadt und war nachts schon immer gefährlich. ... Seit 30 Jahren ist die Innenstadt ab 19 Uhr wie ausgestorben. Und vor 20 Jahren hat der Bau des Tunnels zusammen mit der Eröffnung der Cité Europe, dieses riesigen Einkaufszentrums, der Stadt und ihren Geschäften den Todesstoß versetzt. … Die Flüchtlinge haben mit dem Sterben von Calais also nichts zu tun! Im Gegenteil: Hätten die Calaiser ihnen eine Chance gegeben, hätten die Flüchtlinge zum Wirtschaftsleben beigetragen. Denn sie hätten nicht mehr verlangt, als im Zentrum oder am Strand einen Tee oder einen Kaffee trinken und etwas essen gehen zu dürfen. Selbst mit dem wenigen Geld, das sie haben.“