Wie stark sind die Gelbwesten noch?

Frankreichs Innenminister Castaner hat die Polizei am Montag aufgefordert, die letzten Barrikaden der Gelbwesten zu räumen. Am vergangenen Wochenende nahmen nach offiziellen Angaben landesweit nur noch rund 33.000 Menschen an den Protesten teil. Während einige Kommentatoren die Bewegung bereits sterben sehen, haben andere Hoffnung, dass sie sich wieder aufrappelt.

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The Independent (GB) /

Protestbewegung zum Scheitern verurteilt

Der Philosoph Slavoj Žižek beschäftigt sich in The Independent mit den Zielen der Gelbwesten:

„Zwischen all den Forderungen, die sich hier Bahn brechen, diesem Ausdruck allgemeiner Unzufriedenheit, wissen die Protestierenden nicht wirklich, was sie wollen. Sie haben keine Vision einer Gesellschaft, in der sie leben möchten, sie haben bloß eine Melange von Forderungen, die innerhalb des bestehenden Systems unmöglich erfüllt werden können. Und dennoch richten sie diese an das System. ... Stellen wir uns einen Augenblick lang vor, dass die Protestierenden die Macht übernehmen und sie dann innerhalb des bestehenden Systems ausüben (wie es Syriza in Griechenland getan hat) - was würde geschehen? Wahrscheinlich würde es auf eine wirtschaftliche Katastrophe hinauslaufen.“

Dnevnik (SI) /

Macron zur Kursänderung gezwungen

Die Proteste werden immer weiter abflauen, glaubt Dnevnik:

„Die Bewegung der Gelbwesten geht wohl langsam dem Ende zu. Zum einen, weil sie die Erhöhung der Spritpreise gestoppt und die Anhebung des Mindestlohns erreicht hat, zum anderen, weil der Terroranschlag in Straßburg die Ereignisse überschattet hat. Doch die Unzufriedenheit ist längst nicht verschwunden und dessen ist man sich offensichtlich auch im Elysée bewusst. Macrons Regierung hat deshalb, vor allem mit Blick auf die Europawahl, den Kurs geändert und angekündigt, sozialen Fragen in der Europapolitik mehr Priorität zu geben. Dies könnte allerdings auch die Defizitgrenze infrage stellen.“

Frankfurter Rundschau (DE) /

Gelbe Wut braucht ein Ziel

Die Frankfurter Rundschau empfiehlt den Gelbwesten nun erst einmal eine Atempause einzulegen, um ihre Ziele zu überprüfen:

„Es passt nicht zusammen, Steuersenkungen zu fordern, aber mehr staatliche Hilfen zu verlangen. Sich einzig darin einig zu sein, dass Macron weg soll, hilft nicht, solange es keine Vorstellung davon gibt, was oder wen man stattdessen will. Auch ist es notwendig, sich zur Vereinnahmung seitens der Rechtsextremisten, aber auch der Linkspopulisten zu positionieren. Die Bewegung hat Leute auf die Straße gebracht, die noch nie demonstriert haben. Es wäre schade, wenn die gelbe Wut jetzt im Chaos verpuffen würde. Denn Bewegung wird gebraucht.“