Sollen die Grenzen geschlossen gebleiben?

Die EU-Staaten wollen die in der Corona-Krise eingeführten Grenzkontrollen nur mit aller Vorsicht lockern. Nach einer Videokonferenz mit seinen Amtskollegen sagte der kroatische Innenminister Davor Bozinovic als EU-Ratsvorsitzender: "Wir waren uns alle einig, dass wir vor allem neue Wellen von Ansteckung verhindern müssen." Konkrete Zeitpläne nannte er nicht. In der Presse ruft dieser Kurs ein geteiltes Echo hervor.

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Der Tagesspiegel (DE) /

Es dürften noch Monate vergehen

Der Tagesspiegel warnt vor verfrühten Grenzöffnungen und fordert maßgeschneiderte Lösungen:

„Wenn beispielsweise irgendwann die Zahl der täglichen Neuinfektionen in zusammengewachsenen Gegenden wie Südbaden und dem Elsass auf beiden Seiten der Grenze auf ein ähnlich niedriges Niveau gesunken sind, sollte eine Grenzöffnung für alle in dieser Region möglich sein. Ähnliches gilt auch für den grenzüberschreitenden Tourismus, den beispielsweise Österreich mit Blick auf Gäste aus Deutschland und Tschechien demnächst gerne wieder ankurbeln will. Doch es dürften Monate vergehen, bis daran ernsthaft zu denken ist.“

Der Nordschleswiger (DK) /

Abstand und Hygiene müssen reichen

Weder Deutschland noch Dänemark lassen derzeit die Staatsbürger des anderen Landes ohne triftigen Grund einreisen, wodurch auch Familien und Paare getrennt werden. Der Nordschleswiger findet, dass

„die Schließungsvorschriften an der deutsch-dänischen Grenze als ... Instrument zur Eindämmung der ... Corona-Pandemie nicht überzeugen. Im Alltag sind entscheidende Faktoren zur Verhinderung von Ansteckungen durch die gefährlichen Viren Einsicht der Menschen, Disziplin und umsichtige Einhaltung der Abstands- und Hygienegebote. Und warum sollte der im Bereich der Grenze betroffene Personenkreis nicht ebenso einsichtig, diszipliniert und umsichtig handeln können wie ... Menschen mit Aufenthaltsrecht nördlich und südlich der Staatsgrenze. Gefragt ist nicht obrigkeitsstaatliches Gehabe, sondern Menschlichkeit und Achtung von Freiheitsrechten.“

The Guardian (GB) /

Testen und Nachverfolgen statt Abriegeln

Eine undifferenzierte Schließung aller Staatsgrenzen schadet mehr als dass sie nützt, kritisiert The Guardian:

„Zeitlich begrenzte Einschränkungen der Bewegungsfreiheit - sowohl innerhalb von Ländern und Städten als auch länderübergreifend - werden von den meisten Experten des öffentlichen Gesundheitswesens als wesentlicher Bestandteil des Kampfes gegen das Coronavirus angesehen. Doch die wichtigste Botschaft führender Wissenschaftler lautet, dass diese Einschränkungen auf einem System des Testens von Verdachtsfällen und Nachverfolgens von Kontakten basieren müssten. Pauschale Annahmen über Ausländer und andere Außenseiter seien die falsche Antwort. Wenn Grenzschließungen als Ersatz für sinnvollere Schutzmaßnahmen erwogen werden, verlieren alle.“