Kann Italiens Riesen-Reformpaket überzeugen?

Italiens Regierung hat einen 130-Maßnahmen-Plan aufgelegt, mit dem sie auch bisher skeptische EU-Staaten von ihrem Reformwillen zu überzeugen hofft. Mit Bürokratieabbau, mehr Digitalisierung und Investitionen in die Infrastruktur soll die angeschlagene Wirtschaft angekurbelt werden. Premier Conte präsentierte das Paket als "Mutter aller Reformen". Pressestimmen zeigen sich deutlich skeptischer.

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Süddeutsche Zeitung (DE) /

Beschlossen ist hier noch gar nichts

Ob Conte, der sich in der Krise bewährt hat, auch den Wiederaufbau anführen kann, ist für den Italien-Korrespondenten der Süddeutschen Zeitung, Oliver Meiler, noch offen:

Contes Machtbasis ist dünn, prekär. Im Senat hängt die heterogene Mehrheit aus den Cinque Stelle, dem sozialdemokratischen Partito Democratico und Matteo Renzis Italia Viva an einem Faden. ... [D]er jüngste Ministerrat dauerte bis weit in die Nacht, sechs Stunden lang. Am Ende wurde das Paket mit dem Zusatz 'Einigungen vorbehalten' versehen, weil manche nachverhandeln möchten, wohl bis in den Herbst. Dann finden Regionalwahlen statt. Natürlich ist es grotesk, Regionalwahlen mit der Großanstrengung einer wirtschaftlichen und sozialen Wiederbelebung des Landes zu verknüpfen. Doch die italienische Politik neigt gelegentlich zur Groteske. So ist es nicht ausgeschlossen, dass Italien seine einmalige Chance aufs Spiel setzt.“

Corriere della Sera (IT) /

Große Ankündigungen, unklare Prioritäten

Kolumnist Massimo Franco zeigt sich in Corriere della Sera wenig begeistert vom vorgelegten Paket:

„Die Masse der Projekte ist überwältigend. Sie spiegelt eine Logik der Quantität wider, die dazu dient, das Gefühl einer segensreichen Revolution zu vermitteln, die Italien grundlegend verändern soll. Mit dem eigentlichen Ziel, Premier Conte die Möglichkeit zu geben, seine europäische Pilgerreise mit - auf dem Papier - klaren Ideen anzutreten. … Aber gerade die Angabe von '130 strategischen Projekten' ist verwirrend: Es sind zu viele. Anstatt auf Prioritäten hinzuweisen, liefert sie letzlich eine endlose Liste von Zielen, ohne zu klären, welches die wichtigsten sind. ... Der Wunsch, mit etwas Spektakulärem zu überraschen, scheint unangenehm auffällig durch. Als ob auch Conte es sich nicht verkneifen könnte, große Ankündigungen im Stile der Cinque Stelle zu machen.“