Coronaparty: EU-Kommissar Hogan nimmt seinen Hut

EU-Kommissar Phil Hogan ist am Mittwoch zurückgetreten. Irlands Regierung hatte auf den Rücktritt Hogans gedrängt, nachdem auch der Landwirtschaftsminister auf sein Amt verzichtet hatte. Die beiden hatten zuvor gegen irische Corona-Regeln verstoßen, indem sie an einer Dinnerparty mit 80 Gästen teilnahmen. Hat die Regierung richtig gehandelt?

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Irish Examiner (IE) /

Gefährlicher Präzedenzfall

Die irische Regierung hat sich in der Sache Hogan nicht gerade mit Ruhm bekleckert, schimpft Irish Examiner:

„Irland hat nicht nur Hogan als Kommissar verloren. Dem Land drohen auch erhebliche negative Konsequenzen im Verhältnis zu Brüssel. Ein Rubikon wurde überschritten: Eine staatliche Regierung hat Dinge unternommen, um die Absetzung eines EU-Kommissars zu erzwingen, der eigentlich außer Reichweite innerstaatlicher Kontroversen sein sollte. ... Unstimmigkeiten werden ausgebügelt werden müssen - und das zu einer Zeit, in der Irland alle Hilfe benötigt, die es bekommen kann, um mit dem Brexit fertig zu werden.“

Dnevnik (SI) /

Zeugnis einer reifen politischen Kultur

Dnevnik lobt hingegen die Haltung der irischen Regierung:

„Der Rücktritt von Kommissar Hogan zeigt eine reife politische Kultur, die wir bei slowenischen oder ungarischen Funktionären umsonst suchen. … Irlands Premier und der Vizeregierungschef haben den Rücktritt Hogans gefordert, obwohl ihnen klar war, dass das Land von nun an keinen ebenso relevanten Posten in der aktuellen EU-Kommission unter Ursula von der Leyen haben wird. Doch selbst das Risiko des Verlusts des prestigeträchtigen Handelsportfolios hat die Entschlossenheit der irischen politischen Spitzen nicht ins Wanken gebracht. Sie haben persönliche Verantwortung ihres höchsten politischen Vertreters in der EU eingefordert, um glaubwürdig von den Bürgern weitere Corona-Entsagungen fordern zu können.“

Süddeutsche Zeitung (DE) /

Schwergewicht wird fehlen

Der Rücktritt Hogans schwächt die EU-Kommission gewaltig, kommentiert die Süddeutsche Zeitung:

„Seine Chefin, Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, verliert so einen ihrer erfahrensten und wichtigsten Mitstreiter. Ihn gleichwertig zu ersetzen wird schwierig, ist aber von höchster Bedeutung, denn auf diesem mächtigen Posten kann sich Europa keinen Anfänger oder bloßen Mitläufer erlauben. Zumal im Kommissarskollegium ohnehin schon einige Politiker sitzen, die in den ersten neun Monaten ihrer Brüsseler Amtszeit eher blass geblieben sind. ... Ganz anders Hogan: Der Ire war ein weithin respektiertes Schwergewicht in diesem Kollegium, das manch politischem Leichtgewicht Unterschlupf bietet. Er wird fehlen.“

Handelsblatt (DE) /

Es gab schon größere Fehltritte

Das Handelsblatt hofft, dass die Kommissionspräsidentin an Hogan festhält:

„Von der Leyen kann es sich nach neun Monaten nicht leisten, Hogan als Schlüsselfigur im transatlantischen Verhältnis zu verlieren. Sie weiß: Mit seiner Entlassung würde sie sich selbst schaden. ... In der Vergangenheit gab es bereits größere Fehltritte, die am Ende doch nicht zum Rauswurf eines EU-Kommissars geführt haben. Vor drei Jahren sorgte zum Beispiel der damalige Digitalkommissar Günther Oettinger mit seiner latent fremdenfeindlichen 'Schlitzaugen'-Rede für Empörung. Nach einer Entschuldigung wurde er sogar zum EU-Haushaltskommissar befördert. Im Vergleich dazu lassen sich die Verstöße Hogans gegen Pandemieauflagen sehr viel leichter entschuldigen.“

RTE News (IE) /

Brüssel lässt sich von Dublin nichts diktieren

Dass die irische Regierung Phil Hogan den Rücktritt nahegelegt hat, könnte ihm helfen, im Amt zu bleiben, analysiert RTE News:

„Die Entlassung eines EU-Kommissars aufgrund innerstaatlichen Drucks würde einen Präzedenzfall schaffen, der für die Kommission inakzeptabel wäre. Die Kommissare sind dem Europäischen Parlament gegenüber rechenschaftspflichtig, nicht staatlichen Regierungen. Bisher hat die Affäre im EU-Parlament, das sich noch in der Sommerpause befindet, nicht allzu große Aufregung ausgelöst. EU-Vertreter pochen darauf, dass das System schlicht zum Stillstand kommen würde, wenn das Schicksal von Kommissaren von parteipolitischen Interessen in den einzelnen Mitgliedstaaten bestimmt werden könnte.“