Kultur: Wann endet der Dornröschenschlaf?

Europas Kulturbranche ist von der Pandemie noch härter getroffen als der Tourismus. Einer Ernst & Young-Studie zufolge brachen ihre Umsätze 2020 um 31 Prozent ein – oder absolut um fast 200 Milliarden Euro. Für die Darstellende Kunst liegt der Rückgang sogar bei 90 Prozent. Pilotprojekte in unter anderem Großbritannien und Spanien haben indes zuletzt den Neustart der Branche geprobt: Konzertbesuche waren mit negativem Test möglich.

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Polityka (PL) /

Die Durststrecke ist fast vorbei

Das Warten hat bald ein Ende, glaubt Polityka:

„Die Chancen stehen gut, dass Forschungsergebnisse solide und auf wissenschaftlichen Fakten basierende Schlussfolgerungen für die Organisation von kulturellen und sportlichen Massenveranstaltungen ermöglichen. Auf ihrer Grundlage können Empfehlungen herausgegeben werden, die es den Leuten ermöglichen, Spaß zu haben, ohne das Infektionsrisiko zu erhöhen. Es kann sich etwa herausstellen, dass Veranstaltungen, insbesondere unter freiem Himmel, organisiert werden können. ... Wir müssen also nicht, wie in Neuseeland [wo schon länger Großveranstaltungen stattfinden] erst das Virus völlig eindämmen.“

De Standaard (BE) /

Kein Luxus für bessere Zeiten

In Belgien haben Kultureinrichtungen einen Plan zur Zulassung von Publikum vorgelegt. De Standaard wirbt für Verständnis:

„Wer denkt, dass Kultur nur ein Luxus für bessere Zeiten ist, der irrt. Sie nährt unsere Gemeinschaft. Sie bietet nicht nur Form, Farbe und Schönheit, sondern konfrontiert uns mit unserer Existenz. Sie stellt Fragen zur Gesellschaft, kann diese erneuern und verstärken. Kultur regt die Kreativität an, begründet unsere Identität. Das hat alles mit Zivilisation zu tun und nicht mit Elitismus. Die Branche sorgt außerdem für großen Umsatz. ... Politiker müssen jetzt schnell Sicherheit bieten, damit der Kultursektor ab September mit voller Kraft wieder starten kann. Belgien gehört beim Impfen zu den fünf besten europäischen Ländern, daher darf man ruhig mehr Risiken eingehen.“

Frankfurter Allgemeine Zeitung (DE) /

Es gibt ein Recht auf Party

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung widerspricht der Äußerung von Jens Spahn in einem Interview, es gebe weder für Geimpfte noch für Ungeimpfte 'einen Anspruch auf Party':

„Natürlich gibt es ein Recht darauf ... Es nennt sich allgemeine Handlungsfreiheit und steht in Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes. ... Wenn die Gefahr der Pandemie für mehr als sechs Millionen vollständig geimpfte Menschen weitestgehend gebannt ist und die Regierung dennoch keinerlei Anstalten macht, diesen Bürgern ihre Rechte zurückzugeben, muss man sich dann wirklich wundern, wenn es Bürger gibt, welche die Pandemiebekämpfung als freiheitsfeindliche Verbotspolitik geißeln?“

Aargauer Zeitung (CH) /

Plan B und C aus der Schublade holen

Die Pandemie bietet der Kulturbranche die Chance, neue Ideen und Formate auszuprobieren, findet die Aargauer Zeitung:

„Es ist jetzt die Chance für kleine und mittlere Veranstalter, für alternative, neue Formen und für einen Festivalsommer light. Die Veranstalter können jetzt ihren Plan B und C aus der Schublade ziehen. Gefragt sind aber auch Fantasie, Einfallsreichtum, Initiative und Flexibilität. Das Positive überwiegt. Der Festivalsommer fällt nicht ganz ins Wasser. Und alles ist besser als nichts. Es gibt eine Perspektive für die Kultur, für den Sport und vor allem für die Leute und deren Wohlbefinden. Für all jene, die sehnlichst auf die Rückkehr zur Normalität hoffen.“

Népszava (HU) /

Zu früh zum Feiern

Trotz immer noch hoher Todeszahlen haben in Ungarn nach 3,5 Millionen Erstimpfungen (bei 9,6 Millionen Einwohnern) Ende April die Außenflächen der Gastronomie geöffnet. Auch Premier Viktor Orbán gönnte sich dort vor einigen Tagen ein Bier. Autor Zoltán Nagy ist in Népszava noch nicht nach Feiern zumute:

„Angesichts dieser Öffnung, die von den Impfzahlen abhängig gemacht wurde, kann ich nicht ausgelassen feiern. Und das wird so bleiben, bis ich endlich erfahre, dass kein einziger unserer Mitbürger mehr an einer Corona-Infektion sterben musste. Wenn dieses Ziel erreicht wird, werde ich dem Premier folgen und mir ein Bier leisten.“