Homophobie: Was richtet Ungarn mit neuem Gesetz an?

Ungarns Regierungspartei Fidesz hat am Dienstag ein "Anti-Pädophilie-Gesetz" beschlossen. Es untersagt die "Darstellung und Förderung" von Homo- und Transsexualität zum Beispiel in Lehrplänen, Büchern und Filmen. Geschlechtswechsel werden für Jugendliche unter 18 verboten. Kommentatoren sprechen von perfiden Methoden mit weitreichenden Folgen.

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Népszava (HU) /

Diese Haltung tötet Menschen

Schon jetzt hat die weit verbreitete Intoleranz in Ungarn tragische Folgen, warnt Népszava:

„Selbstmord ist unter homosexuellen Jugendlichen eine der Haupttodesursachen. Wir verlieren jährlich mehrere hundert gesunde, zum Glück geborene ungarische Menschen wegen der gesellschaftlichen Intoleranz, die die Regierung aus opportunistischen Gründen sogar weiter anheizt. In toleranteren Ländern ist dieses Phänomen unbekannt, was gerade der Aufklärung und der Erziehung zur Empathie zu verdanken ist, die diese Gesetzesänderung verlogen 'homosexuelle Propaganda' nennt.“

Der Standard (AT) /

Kindesschutz als Deckmantel

Die Gesetzesvorlage bedient sich eines miesen Tricks, analysiert Der Standard:

„Dass die Bestimmungen eingebettet sind in ein Gesetz, das strengere Strafen für sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche vorsieht, ist – rein strategisch betrachtet – kein dummer Schachzug. Schärferes Vorgehen gegen Kindesmissbrauch wird weniger Gegner auf den Plan rufen als das gesetzliche Wegleugnen von Homosexualität. Die Vermischung beider Themen aber ist nicht nur unstatthaft, sondern gefährlich. Denn dafür, dass ausgerechnet das Totschweigen einer sexuellen Realität Heranwachsende vor Übergriffen durch Erwachsene schützt, spricht nun wirklich rein gar nichts.“

La Stampa (IT) /

Der Schuss wird nach hinten losgehen

Das sind inquisitorische Methoden, die aber ihr Ziel verfehlen dürften, prophezeit La Stampa:

„Das Gesetz ist durch seine Verbindung von Homosexualität und Pädophilie eine kulturelle und rechtliche Verirrung. ... Aber Kultur und Gerechtigkeit mit dem Namen Orbán auch nur in Verbindung zu bringen, ist widersinnig, der Diktator hat uns mittlerweile an das Schlimmste gewöhnt, auf jedem Gebiet. Auch die Verfolgung homosexueller Literatur, von André Gide bis Oscar Wilde, ist nichts Neues. Aber Regime verstehen selten zu differenzieren. Sie schießen in die Menge und verstehen nicht, dass Verbote die menschliche Kreativität und die freie Zirkulation von Ideen nur stärken und beschleunigen.“