Erdöl-Drosselung: Biden kündigt Konsequenzen an

US-Präsident Joe Biden hat nach der Entscheidung der Opec+, die Ölfördermenge ab November zu drosseln, Konsequenzen angekündigt. Nicht zuletzt wollen die USA demnach ihre Beziehung zu Saudi-Arabien neu aufstellen. Das Exportkartell Opec und seine Verbündeten einschließlich Russland (Opec+) hatten den Schritt vergangene Woche beschlossen. Riads Verhalten ist Verrat, begrüßen Kommentatoren Bidens Ankündigung.

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Neue Zürcher Zeitung (CH) /

Scharfe Reaktion wäre verständlich

Biden hat recht, wenn er Riad nun abstraft, meint die Neue Zürcher Zeitung:

„Angesichts der steigenden Ölpreise sprang er im Juli ... über seinen Schatten und reiste nach Jidda, um den Kronprinzen zur Erhöhung der Ölförderung zu bewegen. ... Umso grösser ist nun sein Ärger, dass Saudiarabien genau das Gegenteil tut, was er erbeten hatte. Und das nicht nur wenige Wochen vor den wichtigen Midterm-Wahlen in den USA, sondern auch mitten im Konflikt mit Russland, dem ein höherer Ölpreis zusätzliche Milliarden für den Krieg gegen die Ukraine in die Kassen spülen wird. ... Es ist Zeit, dass Biden ein deutliches Zeichen dafür setzt, dass die weitere Unterstützung Saudiarabiens an klare Bedingungen gebunden ist. Eine Aussetzung der Waffenlieferungen wäre ein erster Schritt.“

Večernji list (HR) /

Schwere Blamage für den US-Präsidenten

Joe Biden hat sich für gute Beziehungen mit Riad bis zum Äußersten verbogen und bekommt zum Dank den Dolch, analysiert Večernji list:

„Die Situation kann als Messer in Bidens Rücken von Seiten Mohammed bin Salmans beschrieben werden. Vor allem, wenn man weiß, dass Biden noch im Juli den blutrünstigen Thronfolger in Dschidda besucht hat. Durch das Treffen gab Biden Bin Salman Legitimität und setzte sich über seine eigene Haltung hinweg, denn gerade Biden hatte während des Wahlkampfs Bin Salman wegen der schrecklichen Liquidation des Journalisten Jamal Khashoggi 2018 Strafe angedroht, und dass er aus ihm einen 'Ausgestoßenen' machen würde.“

The Guardian (GB) /

Ein Weckruf

Der gesamte Westen sollte sein Verhältnis zu Saudi-Arabien angesichts der Entscheidung zur Öl-Drosselung neu bewerten, findet The Guardian:

„Die Saudis und die Kartellmitglieder stellen sich gegen die USA und das nach Energie hungernde Europa und auf die Seite Russlands. ... Saudi-Arabiens Krieg in Jemen und die Waffen der USA und Großbritanniens, die ihn ermöglichen, wären ein guter Ausgangspunkt zur Neubewertung. Eine Verdopplung der Anstrengung, das Atomabkommen mit dem Iran noch zu retten, dem die Saudis misstrauen, könnte helfen, das herrische Riad wieder auf den Boden der Tatsachen zu bringen.“

Strana (UA) /

Die neue Lage spielt Moskau in die Hände

Die Sanktionen der EU werden damit teilweise unterwandert, analysiert Strana:

„Ab Dezember greift das EU-Embargo gegen Öleinfuhren aus Russland. ... Russland wird die Einstellung der Lieferungen nach Europa nun weitgehend mit seiner Quote für die Produktionskürzung 'verrechnen', so dass es die Öl-Exporte in andere Länder in nahezu gleicher Menge und zu einem hohen Preis fortführen kann. ... Das erhöht auch die Kosten für den Westen erheblich, den Wegfall des russischen Öls durch Energie aus anderen Quellen zu ersetzen.“

The Economist (GB) /

Für Biden ein Schlag ins Gesicht

Die Drosselung ist ein heikler Schritt, der zudem im Westen wenig Freunde haben dürfte, glaubt The Economist:

„Der Marktanteil von Opec+ muss sich noch von den riesigen Einschnitten erholen, die die Organisation im Jahr 2020 selbst vornahm, um angesichts einbrechender Nachfrage die Preise zu stützen. Die Produktion nun weiter einzuschränken, könnte den Marktanteil des Kartells noch weiter drücken. Die Kürzung brüskiert außerdem US-Präsident Joe Biden, der kürzlich Saudi-Arabien besucht hat, um das Land noch vor den schwierigen Midterm-Wahlen zu überreden, mehr Öl zu fördern.“