Italiens Rechtsruck: Kabinett Meloni vereidigt

Giorgia Meloni ist Italiens erste Premierministerin. Am Sonntag erhielt sie von ihrem Vorgänger Mario Draghi die Kabinettsglocke überreicht und legte den Amtseid ab. Melonis Regierung gehören neben ihrer postfaschistischen Fratelli d'Italia die rechtspopulistische Lega von Matteo Salvini sowie Silvio Berlusconis Forza Italia an. Kommentatoren diskutieren, was diese Rechtslastigkeit für Europa bedeutet.

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Kauppalehti (FI) /

Das könnte ein kurzes Abenteuer werden

Meloni wird ihre Wähler enttäuschen müssen, prophezeit Kauppalehti:

„Die Märkte sorgen sich vor allem um Italiens Fähigkeit, seine Schulden zu begleichen. An zweiter Stelle steht die Angst, dass Italien Gelder aus dem Konjunkturpaket verlieren könnte. … Das heißt, dass sich die neue Premierministerin trotz starker Worte früher oder später dem Willen der Kommission und der Märkte beugen muss. Dies hätte eine strikte Sparpolitik zur Folge, also genau das, was die Italiener, die bei den Wahlen für die extreme Rechte gestimmt haben, eigentlich verhindern wollten. Bereits am Samstag begannen die Banker auf den Sturz der italienischen Regierung zu wetten. Die größten Optimisten geben Meloni sechs Monate.“

Népszava (HU) /

Können Meloni und Orbán miteinander?

Der ungarische Premier kann wohl nur begrenzt auf Meloni zählen, prognostiziert Népszava:

„Eine beruhigende Nachricht ist, dass Meloni die Außenpolitik der EU nicht gefährdet. Anders als Ungarn kritisiert sie die Sanktionen nicht. Sie setzt sich für die weitere Unterstützung der Ukraine ein und sie weist ihre Koalitionspartner, die mit Putin flirten, entschlossen zurecht. In ideologischen Fragen bleibt sie jedoch augenscheinlich bei ihren Standpunkten, was ihre Beziehung mit Brüssel wohl nicht erleichtern wird. Allerdings ist es noch nicht sicher, dass Meloni eine gemeinsame populistische Plattform mit Viktor Orbán [als Fraktion im EU-Parlament] schaffen wird, denn dies würde ihren ohnehin schon geringen Spielraum weiter einschränken.“

tagesschau.de (DE) /

Europa muss sich Sorgen machen

Für die EU bedeutet die neue Regierung nichts Gutes, befürchtet Jörg Seisselberg, ARD-Korrespondent in Rom, auf tagesschau.de:

„Meloni ist bis heute nicht bereit, die politischen Wurzeln ihrer neofaschistischen Herkunft abzuschneiden. Stattdessen empfiehlt sie ein gelassenes Verhältnis zum Faschismus. Das ist definitiv die falsche Haltung für die Ministerpräsidentin eines EU-Staates ... . Hier geht es um grundlegende europäische Werte. Solange Italiens neue Ministerpräsidentin an diesem Punkt nicht Klarheit schafft, kann und sollte sie nicht behandelt werden als eine Regierungschefin wie jede andere. Berlusconi als Ministerpräsident Italiens war ein Problem für Europa. Meloni ist ein noch größeres.“

Der Standard (AT) /

Die rechteste aller Nachkriegsregierungen, aber ...

Man darf Meloni nicht vorverurteilen, kommentiert Der Standard:

„Erstmals seit dem unrühmlichen Ende der vierten Regierung von Silvio Berlusconi Ende 2011 hat Italien nun wieder eine reine Rechtsregierung, die wahrscheinlich rechteste der Nachkriegszeit. Wie weit Meloni ihre zum Teil ultrakonservativen gesellschafts- und familienpolitischen Ideen wird durchsetzen können, wird sich weisen. Die Schlüsselressorts jedoch, die Europa am meisten interessieren, hat sie mit zwei Persönlichkeiten besetzt, die für eine Fortsetzung der 'Agenda Draghi' stehen. … Giorgia Meloni und ihre Regierung sind demokratisch gewählt worden - jetzt sollen sie erst einmal regieren und an ihren konkreten Taten gemessen werden.“

Corriere della Sera (IT) /

Die Nation kann und soll nicht ohne die anderen

Corriere della Sera stößt Melonis Leitmotiv auf:

„Das Schlüsselwort von Giorgia Meloni ist Nation. Sie wiederholte es zweimal in ihrer sehr kurzen Rede beim Verlassen des Palasts des Staatspräsidenten. … Kein Einwand, wenn der Sinn darin besteht, zu sagen, dass die italienische Einheit unauflöslich ist und es ein stabiles Miteinander zwischen Norden und Süden braucht. ... Wenn es aber darum geht, die italienische Nation, die wir alle oder fast alle lieben, gegen die anderen europäischen Nationen auszuspielen, dann sind Einwände berechtigt: Das nationale Interesse, das Meloni zu Recht sehr am Herzen liegt, lässt sich in dieser historischen Phase keineswegs in der Abgrenzung zu Europa verteidigen. Im Gegenteil.“