Was macht Scholz in China?

Bundeskanzler Olaf Scholz reist nach China und hat bereits im Vorfeld für heftige Kritik an dem anstehenden Treffen mit Präsident Xi Jinping am Freitag gesorgt. Es gehe nicht nur um wirtschaftliche Fragen, sondern um "die ganze Bandbreite" der Beziehungen, auch um die Frage von Menschenrechten, hieß es aus dem Kanzleramt. Kommentatoren sehen das kritisch.

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Hospodářské noviny (CZ) /

Zur falschen Zeit am falschen Ort

Hospodářské noviny versteht die Welt nicht mehr:

„Acht Monate nach der Ankündigung einer 'Zeitenwende' in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik und ungeachtet des Kampfes der deutschen Wirtschaft um Unabhängigkeit vom russischem Gas und Öl, reist Scholz nach China, um Politik und Geschäfte zu machen, als ob nichts gewesen wäre. ... Es scheint fast so, als würde Scholz, nachdem Deutschlands 'Wandel durch Handel'-Politik gegenüber Russland gescheitert ist, dasselbe mit einem noch härteren Regime versuchen. ... Das Außenministerium von Annalena Baerbock hat einen 60-seitigen Entwurf einer neuen, härteren deutschen China-Politik ausgearbeitet. Aber der Bundeskanzler liest wohl nicht einmal die Dokumente seiner eigenen Diplomaten.“

Jutarnji list (HR) /

Ein Kanzler auf Partnersuche

Scholz scheint zu versuchen, Russland durch China zu ersetzen, analysiert Jutarnji list:

„Scholz lehnte das Angebot des französischen Präsidenten Emmanuel Macron ab, gemeinsam Xi zu besuchen und so die Einheit der EU gegenüber China zu demonstrieren. Damit rief er gleich zu Beginn die Sorge bei der EU hervor, dass er nach Peking reist, um deutsche Interessen zu befriedigen. Scholz nimmt Vertreter der deutschen Wirtschaft mit, unter denen sich die größten Befürworter vertiefter wirtschaftlicher Beziehungen zu China befinden. ... Es ist schwer zu glauben, dass Scholz nicht nach China fährt, um die Wirtschaft zu retten, indem er die Abhängigkeit von Russland durch die Abhängigkeit von China austauscht.“

Libération (FR) /

Ärgerliche Naivität

Der Bundeskanzler wirkt so blauäugig wie seine Vorgängerin, kritisiert Christophe Bourdoiseau, Deutschland-Korrespondent von Libération:

„Wie Merkel, die es für unnötig hielt, nach der Krim-Annexion 2014 den Bau der russischen Gaspipeline Nord Stream 2 abzusagen, erweckt Olaf Scholz den Eindruck, naiv zu handeln, indem er rund eine Woche nach der Inthronisierung des Diktators Xi auf dem Kongress der Kommunistischen Partei Chinas nach Peking reist. Er ist der erste europäische Regierungschef, der das Land seit Beginn der Pandemie besucht. Das Timing ist äußerst schlecht gewählt, rügt seine grüne Außenministerin Annalena Baerbock, die ihre Gereiztheit nicht verborgen hat.“