Kennzeichen-Streit im Kosovo: Droht neue Gewalt?

Der erbittert geführte Streit zwischen dem Kosovo und Serbien über eine Autokennzeichenverordnung könnte in Gewalt umschlagen. Davor warnte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell nach dem Scheitern von Vermittlungsversuchen. Auslöser des Konflikts ist, dass der Kosovo die serbischen Kennzeichen an Autos von Mitgliedern der serbischen Minderheit nicht mehr dulden und mit einer Geldbuße ahnden will.

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Ukrajinska Prawda (UA) /

Kein Kompromiss in Sicht

Warum es so schwierig ist, eine Einigung zu finden, erörtert Ukrajinska Prawda:

„Im Gegenzug [für die weitere Aufschiebung der Geldbußen] soll bis zum 1. Dezember 2023 eine visafreie Regelung für Kosovaren eingeführt werden (derzeit ist der Kosovo das einzige Balkanland, das keine visafreie Regelung mit der EU hat). Dieser Plan scheint jedoch nicht aufzugehen. Erstens geben sich die Kosovo-Serben nicht mehr mit einer bloßen Verschiebung des Termins für den Beginn der Geldstrafen zufrieden. Sie fordern die Abschaffung des Verbots serbischer Kfz-Kennzeichen sowie die Anerkennung des Zusammenschlusses serbischer Gemeinden. Und auch Pristina ist nicht zu Zugeständnissen bereit. Sie wären ein schwerer Imageschaden für die Regierung des Kosovo.“

Peščanik (RS) /

Serbien darf sich nicht den EU-Beitritt verbauen

Eine Lösung für die Situation im Kosovo ist wichtig für Serbiens Weg in die EU, mahnt Peščanik:

„Serbien muss eine Lösung für das Kosovo annehmen, die angebotene oder eine andere, da sein Weg in die EU gerade stark gefährdet und schon fast verschlossen ist. Nun auch wegen der Bruderschaft mit Russland, aber auch wegen der Autokratie, der kaputten Institutionen in einem Land, das durch Korruption und Kriminalität zerstört ist. Es kann nicht ohne sein natürliches europäisches Umfeld und einen Vertrag mit der EU überleben. Die Mitgliedschaft in der EU ist der beste Weg für Serbien und die anderen ehemaligen jugoslawischen Republiken.“

Politika (RS) /

Brüssel muss zu seiner Verantwortung stehen

In der Tageszeitung Politika nimmt der bekannte Anwalt Savo Manojlović die EU in die Pflicht:

„Obwohl in den letzten Jahren interethnische Funken auf dem Balkan oft allein wahlkämpferischen Zwecken dienten, kann so ein Funke auch ausreichen, um das Pulverfass explodieren und die Gewalt eskalieren zu lassen. ... Als Mitunterzeichnerin des [2013 zur Normalisierung der Beziehungen zwischen Serbien und Kosovo geschlossenen] Brüsseler Abkommens trägt die EU in hohem Maße eine unbestreitbare Verantwortung für diese Situation. Serbien und Kosovo haben das Brüsseler Abkommen nämlich nicht untereinander abgeschlossen. Jede der Parteien hat es mit der EU unterzeichnet, die daher Garant ist, aber auch Vertragspartei, die direkt für die Umsetzung und die Folgen des Brüsseler Abkommens verantwortlich ist.“

Neue Zürcher Zeitung (CH) /

Autonomiestatus für den Nordkosovo

Um Frieden zu schaffen, muss man die wirklichen Probleme verhandeln, fordert Balkan-Experte Andreas Ernst in der Neuen Zürcher Zeitung:

„Die Zeiten sind vorbei, über Autonummern, Grenzformalitäten und andere 'technische Fragen' zu reden. Denn diese sind genau besehen nie technisch, sondern hochpolitisch und können nur im Rahmen eines umfassenden Friedensabkommens gelöst werden. ... Der Schlüssel für das Abkommen liegt in Nordkosovo. Für die serbische Bevölkerung muss ein Autonomiestatus gefunden werden, der so bemessen ist, dass sie sich selber verwalten kann, ohne das Funktionieren des kosovarischen Staates zu tangieren.“