Frankreich: Was taugt Bayrous Sparpaket?
Wegen der hohen Staatsverschuldung ist für Frankreich "die Stunde der Wahrheit" gekommen. Unter dem Motto stellte Premier François Bayrou ein milliardenschweres Sparpaket vor. Neben der Zusammenlegung von Behörden und dem Einfrieren der öffentlichen Ausgaben einschließlich der Rentenzahlungen und Sozialleistungen sollen auch zwei Feiertage wegfallen. Europas Presse schaut gespannt nach Paris.
Immerhin Klartext geredet
Zumindest hat Bayrou mit seinem Vorschlag wertvolle Aufklärungsarbeit geleistet, analysiert L'Opinion:
„Ein Plan, der, wenn er angenommen wird, mehrere Jahre gelten wird, bis unsere heute außer Kontrolle geratene Verschuldung stabilisiert (und auch nur stabilisiert!) ist. … Es gibt keine Garantie dafür, dass diese Katastrophenstimmung politisch ausreicht, um die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass die Zeit der Anstrengungen gekommen ist, und dass sich die Sozialisten oder der RN, die es auf die Regierung abgesehen haben, weichklopfen lassen. Aber wozu auch immer diese Rede führen wird, zumindest wird die Aufklärungsarbeit über den tatsächlichen Zustand des Landes, das so hoch verschuldet und so wenig produktiv ist, vorangekommen sein.“
Verheerende Einseitigkeit
Man hätte den Rotstift besser bei der Unternehmensförderung angesetzt, so L'Humanité:
„Billionen Euro, die sich anhäufen, ohne jegliche wirtschaftliche Schlagkraft bewiesen zu haben. Wird nun also alles von Grund auf umgestaltet? Nein, es werden nur einige Beihilfen gekürzt, die skandalösesten. Die Unternehmer dürfen jedoch beruhigt sein, denn im Gegenzug wird das Arbeitsrecht gelockert. Die fehlenden Milliarden kann man auch bei der Steuerflucht finden: 80 bis 120 Milliarden Euro jährlich. Oder bei den 500 reichsten Franzosen, deren Vermögen sich in drei Jahrzehnten vervierzehnfacht hat. Eine Goldgrube gefüllt mit 1.128 Milliarden. Derweil sinkt die Lebenserwartung in guter Gesundheit. ... Die Wünsche der Lobbyisten zu erfüllen, vergiftet unsere Umwelt, unser Essen und unsere Körper.“
Reformen zu lange verschoben
El Mundo erinnert an die erzwungene Sparpolitik in Südeuropa:
„Wenn das Land so weiter macht wie bisher, ohne Mittel, um seine Wirtschaft in der heutigen wettbewerbsorientierten Welt anzukurbeln, werden die Probleme nur noch größer. ... Das Beispiel Frankreich wirft die Frage auf, wie ein so bedeutendes Land dorthin kommen konnte, wo es heute steht. ... Die Lehre ist, dass die Republik notwendige Strukturreformen zu lange verschoben hat. Spanien – wie auch Griechenland oder Portugal – steht heute besser da. Und zwar nicht, weil unser Land bessere Entscheidungen getroffen hätte, sondern weil es wegen der Finanzkrise gezwungen war, harte Anpassungen vorzunehmen.“
Ringen um ein Ende mit Würde
Bayrou versucht alles, um sein Gesicht nicht zu verlieren, meint der Tages-Anzeiger:
„Die Franzosen, sagte Bayrou, müssten mehr arbeiten. Darum plane er, zwei Feiertage zu streichen. ... Nun reden alle nur von den Feiertagen. Neun würden in Frankreich übrig bleiben, wenn zwei gestrichen würden, das ist unteres europäisches Mittelfeld. ... Gut möglich, dass diese Geschichte mit den Feiertagen nur ein Köder ist, eine Täuschungsnummer. Bayrou kann die Maßnahme im Verlauf der Debatte zurückziehen und behaupten, er habe alles versucht, habe um die Standhaftigkeit des Staates gekämpft – und dann in Würde gehen. Dass er dieses beispiellose Sparbudget politisch überlebt, ist nämlich unwahrscheinlich. Es fehlt dem Premier dafür eine Mehrheit im Parlament.“
Weniger feiern, mehr produzieren
Feiertage zu streichen, findet The Daily Telegraph eine nachahmenswerte Idee:
„Sind Feiertage wirklich notwendig, wenn die Produktivität anhaltend niedrig ist und die Staatsverschuldung auf einem historischen Höchststand? Selbst wenn zwei nationale Feiertage gestrichen würden, blieben der französischen Bevölkerung immer noch neun religiöse oder weltliche Feiertage. Damit würde sie mit Schottland gleichziehen, das neun Feiertage hat, einen mehr als England, wo es derzeit acht gibt. Aber vielleicht ist es an der Zeit, dass das Vereinigte Königreich all diese nationalen Feiertage überdenkt. Unsere Verschuldung liegt gefährlich nahe bei 100 Prozent des BIP (in Frankreich sind es 110 Prozent), und auch wir haben ein ernstes Produktivitätsproblem.“