Britisch-deutsche Freundschaft: Wohin geht die Reise?
Deutschland und Großbritannien wollen ihre Zusammenarbeit vertiefen. Die Regierungschefs Keir Starmer und Friedrich Merz haben dazu am Donnerstag einen 27-seitigen Freundschaftsvertrag unterzeichnet. Kommentatoren der europäischen Presse beleuchten verschiedene Aspekte des Pakts – und wähnen einen Dritten im Bund.
Drei Freunde für alle Fälle
Hier entwickelt sich eine strategisch bedeutsame Dreiecksbeziehung, so The Times:
„Großbritannien und Frankreich vertiefen ihre Zusammenarbeit im Nuklearbereich und Merz möchte mit von der Partie sein. ... Während die britische und die französische Rüstungsindustrie in einigen Bereichen direkte Konkurrenten sind, ergänzen sich die Industrien Großbritanniens und Deutschlands hingegen eher. Die deutsch-britische Klausel zur gegenseitigen Verteidigung könnte angesichts der Nato als überflüssig betrachtet werden. Doch sie ist, wie auch die Vereinbarung zwischen London und Paris richtungsweisend für die angestrebte strategische Autonomie Europas. In einer immer gefährlicheren Welt, in der die drei großen europäischen Staaten mit ähnlichen Problemen konfrontiert sind, schließen sie sich zusammen.“
Neustart in dunklen Zeiten
Das Abkommen könnte durch den Brexit entstandene Probleme ausgleichen, so The Guardian:
„Die Deutschen werden froh sein, dass Schulausflüge ins Vereinigte Königreich unkomplizierter werden. Die Briten werden erleichtert sein, dass sich insbesondere Geschäftsreisende womöglich bald für die Einreise über E-Gates registrieren lassen können. ... Zu den Leuchtturmprojekten, die neue Beziehungen zwischen den beiden Nationen wachsen lassen sollen, gehören ein Wirtschaftsforum, ein Jugendgipfel, Kulturinitiativen und die Ankündigung einer direkten Zugverbindung zwischen London und Köln. ... Das Vereinigte Königreich und Deutschland wagen einen Neuanfang in einer dunkleren Welt.“
Jugendaustausch als Mittel gegen Nationalismus
Der Vertrag ist mehr als bloße Symbolik, betont die Süddeutsche Zeitung:
„[D]ie Fokussierung auf den eigenen Vorgarten, die Rückkehr des Nationalismus und das Auseinanderdriften von Gesellschaften, das ist die größte Gefahr dieser Zeit. Verhindern kann dies nur eine demonstrative und konkrete Zusammenarbeit von Regierungen. Und zwar gerade bei Themen, die das Leben jüngerer Menschen berühren, wie das im Vertrag verankerte Vorhaben, den Schüler- und Jugendaustausch wieder zu erleichtern. Das Gefühl der grenzübergreifenden Zusammengehörigkeit kann nur überleben, wenn die Jugend es leben darf.“
Engeres Bündnis als die Nato
Der Freundschaftspakt mutet eher wie ein Verteidigungspakt an, wirft La Stampa ein:
„Die Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich ist in der Tat eine der Säulen des gestern erzielten Abkommens, in dem sich die beiden Länder in einer Klausel zur gegenseitigen Verteidigung, einschließlich der militärischen Verteidigung, verpflichten, die über die derzeitigen Verpflichtungen aus ihrer gemeinsamen Nato-Mitgliedschaft hinausgeht. Eine 'strategische Bedrohung' für eines der beiden Länder wird auch von dem anderen Land als solche betrachtet.“