Ukraine-Krieg: Verliert Trump die Geduld mit Putin?
US-Präsident Trump hat ein an Russland gerichtetes Ultimatum zur Einstellung der Kampfhandlungen gegen die Ukraine stark verkürzt. Statt 50 Tage ab Mitte Juli will er Präsident Putin ab jetzt nur noch zehn Tage Zeit für eine Waffenruhe geben. Danach drohten Zölle von bis zu 100 Prozent für Russlands Handelspartner. Kommentatoren debattieren mögliche Folgen der Ankündigung.
Nichts als Bluff und Aufplusterei
Die Süddeutsche Zeitung fragt sich, wie das mit den angedrohten Strafzöllen für Russlands Handelspartner überhaupt funktionieren soll:
„Wie China auf so etwas reagiert, haben sie den USA vor ein paar Wochen gezeigt, als Trump Importe aus der Volksrepublik mit 145 Prozent Strafzoll belegen wollte. Sie haben kurzerhand die Lieferung von Seltenen Erden in die USA gestoppt. Die dreistelligen Zölle waren schnell vom Tisch. Zehn, zwölf Tage Frist, 100 oder gar 500 Prozent Strafzölle – das sind beliebige Zahlen, nur Bluff und Aufplusterei. Sie sollen verdecken, dass Trump, der sich damit brüstete, den Konflikt in der Ukraine innerhalb von 24 Stunden beenden zu können, nicht den Schimmer einer Idee hat, wie er Putin zu einer Waffenruhe bewegen kann.“
Moskau versteht nur Sprache der Gewalt
Auch Novinky.cz ist skeptisch:
„Wir können davon ausgehen, dass Trump nach Ablauf des Ultimatums harte Sanktionen gegen Russland verhängen wird. ... Wie angekündigt. Putin habe Angst davor, sagt er. Denn ja, Russland hat wirtschaftliche und finanzielle Probleme. Dem Staat geht das Geld aus und in manchen Gebieten sogar die Grundnahrungsmittel. Trotzdem setzt es seinen Krieg mit vollem Einsatz fort. Sanktionen werden diesen Krieg nicht beenden. Russland versteht nur die Sprache der rohen Gewalt. Wir müssen sie schnell lernen und der Ukraine endlich helfen, ebenso hart und schmerzhaft zu reagieren. Sonst müssen wir vielleicht alle wieder Russisch lernen.“
Machtpoker mit Indien und China
Trumps eigentliche Botschaft richtet sich nicht an Putin, sondern an Asien, schreibt Blogger Olexij Panytsch auf Facebook:
„Die wahren Adressaten von Trumps Erklärung sind Indien und China, mit denen die USA gerade intensive Zollverhandlungen führen. Es handelt sich um eine Taktik, mit der er Druck auf sie ausüben will: Entweder sie zeigen sich kompromissbereit oder Trump wird sich 'gezwungen' sehen, sie wegen ihrer Sturheit mit Zöllen zu bestrafen – denn es gibt einen passenden Vorwand: 'Putin will den Krieg nicht beenden, und ihr kauft sein Öl.' Je mehr sie also jetzt während der Tarifverhandlungen dem Druck nachgeben, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass dem Ultimatum an Putin irgendwelche konkreten Maßnahmen folgen.“
Im Kreml hat man sich verkalkuliert
Der russische Präsident hat die Entschlossenheit seines Gegenübers in den USA unterschätzt, analysiert The Daily Telegraph:
„Putins Annahme, dass Trump nur blufft, entpuppt sich als gefährliche Fehleinschätzung. Er ging wohl davon aus, dass der US-Präsident nach seinem Amtsantritt die militärische Unterstützung für die Ukraine einstellt und Russland einen Blankoscheck für weiteres aggressives Vorgehen ausstellt. Doch diese Annahme erwies sich als falsch. ... Der US-Präsident hat die Geduld mit Russlands Verzögerungstaktik und Obstruktionspolitik verloren. Die Folgen dieses Sinneswandels könnten dafür sorgen, dass Putin es bereut, Trump vorgeführt zu haben.“
US-Präsident fühlt sich getäuscht
Trump und Putin können einander nicht verstehen, erläutert La Stampa:
„Als Geschäftsmann kann Trump nicht begreifen, dass ein Land sich in die Verarmung und Isolation treiben lässt. ... Als KGB-Agent, der in einer Welt aufgewachsen ist, in der Geld nichts wert war, kann Putin seinerseits nicht verstehen, wie man bei Machtfragen Rechnungen aufstellen kann: Für ihn ist es die Macht, die Reichtum schafft, niemals umgekehrt. Die Zugeständnisse, die der 'Meister der Deals' angeboten hat, wurden von Putin als Schwäche interpretiert: Er hat kein Zeichen des Kompromisses gesetzt, sondern stattdessen den Einsatz erhöht. ... Nun fühlt sich Trump von Putin getäuscht und wird ihm diese Demütigung seiner 'Kunst des Deals' kaum verzeihen. Nach sechs Monaten fängt man wieder bei Null an.“
Bisher ist nichts passiert
Radio Kommersant FM sieht in Trumps harten Worten nichts Neues:
„Der Chef des Weißen Hauses droht Russland nicht zum ersten Mal mit einer 'Deadline'. Allerdings verschärft sich die Rhetorik zunehmend und es kommt Konkretes zum Vorschein. Man darf dabei nicht vergessen, dass Trump auch gern 'den Rückwärtsgang einlegt' und die Positionen ändert. ... Der amerikanische Präsident hat, was er selbst zugibt, mehrfach nachgegeben und faktisch seine Hauptforderung nach einer sofortigen Einstellung des Feuers zurückgezogen. Aber jetzt ist er unmittelbar bereit, Druckmittel einzusetzen. Übrigens ist bisher nichts passiert. Und vielleicht wird auch nichts passieren.“