Hält die US-Notenbank dem politischen Druck stand?
Mit Spannung haben Ökonomen das Treffen internationaler Notenbanker im US-amerikanischen Jackson Hole beobachtet. Es war die letzte dieser jährlichen Zusammenkünfte unter Leitung des US-Zentralbankchefs Jerome Powell, dessen Amtszeit 2026 endet und den US-Präsident Donald Trump seit Monaten zu Zinssenkungen drängt. Powell schloss eine Senkung nicht aus, stellte aber klar, dass darüber wirtschaftliche Kriterien entscheiden. Europas Presse zieht Bilanz.
Autonomie mutig verteidigt
Corriere del Ticino hebt die Standhaftigkeit des Notenbankchefs hervor:
„Jackson Hole war vor allem ein Test für Jerome Powell, der seit Monaten unter dem Beschuss von Präsident Trump steht, der keine Gelegenheit auslässt, lautstark eine sofortige und massive Zinssenkung zu fordern. … Powell entschied sich für Vorsicht, aber Vorsicht in Zeiten politischen Drucks ist ein Akt des Mutes. … So bot uns Jackson Hole dieses Jahr das Schauspiel eines Zentralbankers, der Widerstand leistet. Wir wissen nicht, ob es am 17. September tatsächlich zu einer Zinssenkung kommen wird, aber eines ist klar: Powell hat die Unabhängigkeit der Fed verteidigt. Und in einem polarisierten Amerika ist dies bereits ein politischer Akt.“
Trump wird Fed gefügig machen
Wenn Powells Amtszeit im Mai 2026 ausläuft, wird ein anderer Wind wehen, befürchtet Financial Times:
„Die Fed ist strukturell so aufgestellt, dass ihre Unabhängigkeit gewährleistet ist. Wer jedoch an Trumps Willen und Bereitschaft zweifelt, sie seinem Willen zu unterwerfen, macht sich etwas vor. ... Trump hat bereits seinen Berater Stephen Miran für eine vorübergehende Position bei der Fed nominiert. Miran schrieb darüber, wie vorteilhaft es sei, dem Präsidenten die Möglichkeit zu geben, Zentralbankbeamte nach Belieben zu entlassen – um die Institution zu demokratisieren. In einem Jahr wird die Fed mit ziemlicher Sicherheit ganz anders aussehen, höchstwahrscheinlich mit einem deutlich Trump-freundlicheren Chef an der Spitze.“
Drohender Vertrauensverlust
Die wiederholten Bemühungen Trumps, die Fed unter seine Kontrolle zu bringen, bergen ein hohes Risiko, meint El País:
„Nach Monaten beispiellosen politischen Drucks betonte Powell gestern, dass die Entscheidungen der Notenbank auf Daten basiert. … Doch Trump greift auf ungewöhnliche Mittel zurück. … Die Botschaft ist eindeutig: Jeder, der sich den Vorgaben des Weißen Hauses widersetzt, weiß, was er riskiert. … Trotz Trumps plumpen Bemühungen, die US-Notenbank stärker zu kontrollieren, war die Reaktion der Märkte – die einzigen bisher, die den Präsidenten zum Umdenken bewegen konnten – sehr begrenzt. Doch das Risiko eines Vertrauensverlusts in die Fed und damit in die US-Vermögenswerte wächst mit jedem Angriff.“
Das gesamte Dollar-System steht auf dem Spiel
Das Handelsblatt lobt:
„Powell hat einmal mehr die bestmögliche Variante gewählt, um die kontinuierlichen Attacken des Präsidenten abzuwehren: Er ignoriert sie schlichtweg. Das nennt man souveräne Gelassenheit. ... Er will weder im Verdacht stehen, als williger Vollstrecker des Präsidenten zu agieren, noch will er, dass der Eindruck entsteht, er vermeide notwendige Zinssenkungen, nur um ein Signal der Unabhängigkeit zu senden. Die Notenbank macht schlichtweg ihren Job. ... Powell weiß, was auf dem Spiel steht: Verliert die Notenbank ihre Unabhängigkeit ..., wären die Folgen für die Finanzmärkte desaströs. Die Wirkungen des von Trump angezettelten globalen Handelskriegs wären dagegen ein Klacks. Das Vertrauen in das gesamte Dollar-System stünde zur Disposition.“