Gaza und Westjordanland: Geht Israel zu weit?
Ein israelischer Planungsausschuss hat ein Projekt zur Ausweitung jüdischer Siedlungen in einem besonders sensiblen Gebiet im Westjordanland genehmigt. Dadurch würde dieses Palästinenser-Gebiet zweigeteilt. Zeitgleich rückt Israels Armee auf Gaza-Stadt vor. Bei einem dortigen Truppenbesuch kündigte Premier Netanjahu an, umgehend Verhandlungen mit der Hamas aufzunehmen. Die Medien beurteilen Israels Vorgehen an beiden Schauplätzen.
Zerbrechliche Sicherheit
El Mundo hält die Siedlungspläne nicht für zukunftstauglich:
„Die Worte des israelischen Finanzministers Bezalel Smotrich machten die offene Missachtung des Völkerrechts durch die israelische Regierung deutlich. Er prahlte gestern mit dem Bau von 3.400 jüdischen Häusern, um dem 'Betrug' der Zwei-Staaten-Lösung ein Ende zu machen. Ein Friedensplan, der von den Vereinten Nationen unterstützt wurde, mit einem dreiteiligen palästinensischen Staat: Westjordanland, Ost -Jerusalem und Gazastreifen. ... Israel hat das Recht, seine Sicherheit zu schützen, aber diese Sicherheit wird zerbrechlich sein, wenn den Palästinensern die Hoffnung auf Souveränität genommen wird und wenn es darum geht, auf Kosten der demokratischen Werte des Landes etwas durchzusetzen.“
Siedlungen sind nicht in Stein gemeißelt
Dass mit den jüdischen Siedlungen das endgültige Ende einer Zweistaatenlösung droht, ist für die taz nicht schlüssig:
„Zweimal schon hat Israel Siedlungen für 'Land gegen Frieden' aufgegeben. Erstmals 1982 im Sinai, wo unter anderem die Kleinstadt Jamit gewaltsam geräumt und dem Erdboden gleichgemacht wurde. Das zweite Mal in Gaza 2005 unter Ariel Scharon, wo rund 10.000 Siedler*innen ebenfalls unfreiwillig und unter Gegenwehr ihre Häuser verlassen mussten – zum Teil nach mehr als 30 Jahren. ... Die Siedlungen sind es nicht, die eine Zweistaatenlösung verhindern, sondern es ist vor allem der mangelnde politische Wille. Dieser Wille fehlt komplett, und zwar nicht nur auf israelischer Seite.“
Schändliche Rhetorik kaschiert übles Tun
Der israelische Premier verrennt sich in seiner Wut, kommentiert Le Monde:
„Benjamin Netanjahu ist zornig über Frankreichs Ankündigung, Palästina anzuerkennen, ein altes Ansinnen, dessen späte Umsetzung nun besondere Bedeutung erhält zu einem Zeitpunkt, an dem Israel sich an einer blutigen ethnischen Säuberung im Gazastreifen festbeißt und seinen Willen beteuert, seine Siedlungspolitik in den besetzten Gebieten im Westjordanland auszuweiten. Dass sich andere Länder wie Kanada, Großbritannien und Australien Frankreich anschließen, vergrößert die Wut des israelischen Premiers nur weiter. ... Indem Netanjahu auf Antisemitismus als ultimatives Argument gegen die Kritiker seiner Politik zurückgreift, fügt er zu einem für Israel zerstörerischen Abgleiten noch eine schändliche Rhetorik hinzu.“
Verhandeln mit aufgesetzter Pistole
La Repubblica beleuchtet Netanjahus Taktik in Gaza:
„Mit der vollen Unterstützung der USA scheint Benjamin Netanjahu davon überzeugt zu sein, dass er die Freilassung der Geiseln, die Kapitulation der Hamas und die Eroberung des gesamten Gazastreifens erreichen kann, indem er den Krieg als Verhandlungsmittel einsetzt. Das zumindest lassen die widersprüchlichen Erklärungen vermuten, die die israelischen Behörden, die Regierung und die Armee seit Anfang August abgeben, als die große Invasion des Gazastreifens angekündigt wurde. ... Gestern erklärte der Premierminister, er habe seine Leute angewiesen, unverzüglich Verhandlungen über die 'Freilassung aller Geiseln und die Beendigung des Krieges zu für Israel akzeptablen Bedingungen' aufzunehmen.“
Auf Kosten der Bevölkerung beider Seiten
Die israelische Regierung macht reine Klientelpolitik, meint Der Standard:
„Die Offensive [in Gaza] stellt auch eine neue Belastung für die israelischen Reservisten dar. Bis zu 130.000 müssen ihr Leben in einem Krieg riskieren, den Kritiker längst für politisch motiviert halten. Für Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und seine rechtsextremen Koalitionspartner bleibt deshalb nur ein beschämender Sieg: Auf Kosten der Palästinenser und der eigenen Bevölkerung setzen sie eine Klientelpolitik um, durch die alle anderen verlieren werden.“