Bodenoffensive in Gaza-Stadt: Ende der Diplomatie?
Israels Armee hat eine Bodenoffensive in Gaza-Stadt begonnen. Ziel sei es, die Hamas-Kräfte in diesem Gebiet auszuschalten, sagte ein Militärsprecher. Hunderttausende Bewohner versuchen, aus der Stadt zu fliehen. Die EU forderte ein Ende des "Kreislaufs von Gewalt, Zerstörung und Leid". US-Außenminister Marco Rubio äußerte allerdings Zweifel daran, dass der Gaza-Krieg auf diplomatischem Wege beendet werden kann.
Völlig entfesselt
Netanjahu scheint kaum mehr zugänglich für Argumente, kommentiert der Tages-Anzeiger:
„Medienberichten zufolge hatte selbst der Armeechef die Regierung vor den Gefahren der Offensive in der palästinensischen Millionenstadt gewarnt – sowohl für Geiseln als auch für Soldaten. Netanyahu ordnete sie trotzdem an. ... Erst vergangene Woche liess er den Golfstaat Katar angreifen, jenen Verbündeten der USA, der bisher als Mittler in den Waffenruheverhandlungen auftrat. ... Nicht nur im Ausland, auch innerhalb Israels wächst die Sorge, dass sich der Staat unter Netanyahu endgültig isoliert, dass seine rechtsreligiöse Regierung zu einem unberechenbaren, unaufhaltsamen Faktor im Nahen Osten wird, nicht mehr zugänglich für Diplomatie und auch nicht für Debatten innerhalb Israels. Die Entwicklung gefährdet die Region – und langfristig auch die Sicherheit von Jüdinnen und Juden.“
Sieg ist eine Illusion
Israels Regierung verkennt die Lage, erklärt La Stampa:
„Israel hat das Recht, sich zu verteidigen, aber eine auf totale Gewalt basierende Doktrin läuft Gefahr, die Logik asymmetrischer Kriege zu ignorieren, in denen jeder militärische Sieg eine strategische Niederlage bedeuten kann. Die Hamas wird nicht durch Panzer ausgelöscht werden: Sie kann aus den Trümmern wiederauferstehen. Israel läuft Gefahr, die Schlacht zu gewinnen und dennoch zu verlieren: Jeder in Gaza gewonnene Meter kann zu diplomatischen Verlusten in der Region führen und den taktischen Erfolg in schwerwiegende strategische Kosten gegenüber den USA, der arabischen Welt und Europa verwandeln.“
Rubios erhobener Daumen
Avvenire kritisiert den Umgang der USA mit dem Konflikt:
„Israel, was tust du da? möchte man schreien. Unterdessen hat Marco Rubio, US-Außenminister, gerade Netanjahu in Tel Aviv getroffen. Die amerikanische Unterstützung gegen die Hamas ist garantiert. Rubio geht: Von der Flugzeugtreppe aus winkt er, lächelt zufrieden und hebt den Daumen in einer Geste des Siegs. Zumindest diesen erhobenen Daumen hätte er sich sparen können. Nur wenige Kilometer entfernt vom Höllenhimmel über Gaza, von der Kolonne der armen Teufel auf der Flucht. Von denen, die nicht einmal mehr fliehen. Sie haben bereits alles verloren, was man einem Menschen nehmen kann.“
USA sind Komplizen statt Vermittler
Auch für La Libre Belgique spielen die USA eine unrühmliche Rolle:
„Trumps Amerika unterstützt eine Entwicklung, die nur zu noch mehr Chaos, noch tieferem Hass und anhaltender Instabilität in der gesamten Region führen kann. Die USA geben sich als Vermittler, verhalten sich aber wie Komplizen. Sie propagieren eine Scheindiplomatie. ... Netanjahus Regierung pfeift auf das Völkerrecht und den Schutz der Zivilbevölkerung. Sie hat sich für die Logik des Schlimmsten entschieden, in der Unmenschlichkeit mit Unmenschlichkeit beantwortet wird. Gaza brennt und mit ihm zerfallen auch die Glaubwürdigkeit und die Nützlichkeit der UN ein wenig mehr. Was wird von Gaza übrig bleiben – außer Ruinen, einem Nährboden für Hass und der Wiege endloser Rache?“
Am Ende liegt alles in Trümmern
Polityka fürchtet eine völlige Zerstörung von Gaza-Stadt:
„Das Ziel sei die 'Vernichtung der Hamas', aber man kann sich kaum des Eindrucks erwehren, dass zusammen mit der Hamas im Grunde alles zerstört werden soll, so wie wir es schon anderswo beobachten mussten. Nach dem Einmarsch zerstörte die israelische Armee systematisch ein Gebäude nach dem anderen, sodass Städte wie Rafah oder Beit Hanun am Ende in Trümmer lagen. Mit Gaza-Stadt wird es wahrscheinlich genauso sein.“