EU-Parlament weicht Lieferkettengesetz auf
Das Europaparlament hat mit einer Mehrheit hauptsächlich aus Konservativen und Rechtsaußenfraktionen für eine Lockerung des EU-Lieferkettengesetzes gestimmt. Ein Kompromiss der Europäischen Volkspartei (EVP) mit Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen war zuvor gescheitert. Grüne und sozialdemokratische Politiker werfen der EVP einen "Bruch der Brandmauer" vor. Kommentatoren betrachten das Abstimmungsergebnis und seine Folgen.
Fataler Schulterschluss zulasten des Klimaschutzes
Der Green Deal wird schwarz, wettert Il Manifesto:
„Während sich die Welt in Belém zur COP30 versammelt, wird in Europa die Kluft zwischen politischen Entscheidungen und den im Green Deal von 2019 festgeschriebenen Klimazielen immer größer. Gestern hat das Europäische Parlament mit einer wichtigen Abstimmung erstmals die neue Alternative zur sogenannten 'Ursula-Mehrheit' bestätigt. ... Die EVP, die größte Fraktion, hat den Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen den Rücken gekehrt und sich mit den extrem Rechten der EKR (Meloni) und der PfE (Lega und Le Pen) verbündet, um die Sorgfaltspflicht der europäischen Industrie sowohl hinsichtlich der Achtung sozialer und ökologischer Rechte als auch hinsichtlich der Wiedergutmachungspflicht zu verringern.“
Zersetzendes Gift des Populismus
L’Echo ist nicht nur von den Konservativen im Europaparlament enttäuscht:
„Indem die EVP und ihre Verbündeten von der extremen Rechten den Kontrollturm zerstören, demolieren sie auch das Radar, dem wichtige Kräfte unserer Gesellschaften in gemeinsamem Elan folgten. Doch diese Abstimmung ist auch ein Scheitern der anderen etablierten Parteien, die sich in einem regelrechten Chaos befinden und nicht in der Lage sind, ihr Ego mit einer Zukunftsvision in Einklang zu bringen: Sind Demokratie sowie Sozial- und Umweltnormen nicht ihre eigentlichen Themenfelder? Der Populismus vergiftet die Reihen unserer Institutionen und könnte anderen Grundpfeilern des europäischen Projekts kurzen Prozess machen. Es sei denn, es erfolgt ein rettendes Erwachen.“
Sieg gegen ideologische Verbohrtheit
Dass die EVP bei der Abstimmung teilweise auch Unterstützung von weiter rechts bekam, hätten Sozialdemokraten und Grüne verhindern können, meint die Frankfurter Allgemeine Zeitung:
„Es ist vier Wochen her, dass der Rechtsausschuss des Parlaments einen Kompromiss der vier Fraktionen [EVP, Liberale, Sozialdemokraten und Grüne] gebilligt hat. Diesen hat das Parlamentsplenum danach zur Freude eines Teils der Sozialdemokraten und der Grünen gekippt. Dass die EVP ihre eigenen Anträge jetzt weniger verwässert durchsetzen konnte, hat wenig mit einer vermeintlich eingestürzten Brandmauer und viel mit der ideologischen Verbohrtheit von Teilen dieser beiden Fraktionen zu tun, denen die Entlastung der Wirtschaft schlicht egal ist.“
Auch ökonomisch daneben
Dass die Abschwächung des Gesetzes im langfristigen Interesse der Wirtschaft ist, bezweifelt die taz:
„Gerade in der zunehmenden weltweiten Konkurrenz brauchen deutsche und europäische Firmen wieder mehr attraktive Produkte, die den Käufer:innen gefallen. Zum Beispiel E-Autos werden attraktiver, wenn die neue Technologie sich nicht ständig des Vorwurfs erwehren muss, ihre Rohstoffe kämen aus Sklaven- und Kinderarbeit in den umweltschädlichen Bergwerken armer Länder. ... Eine moderate menschenrechtliche Regulierung ist kein ökonomischer Killer, wie die EVP behauptet. Ein ökonomisches Problem stellt eher die Wirtschaftspolitik à la Manfred Weber dar, die Regeln durcheinanderbringt, an die sich Hunderttausende Unternehmen gerade gewöhnen.“