Ukraine: Wie kann es Frieden geben?
Bei einem Treffen in Genf haben Vertreter der Ukraine, der EU-Kommission und mehrerer europäischer Staaten mit den USA über Änderungen des 28-Punkte-Plans verhandelt. US-Außenminister Marco Rubio sprach von einem "sehr guten Arbeitsergebnis". Nun müssten die Präsidenten in Washington und Kyjiw entscheiden, erklärte der ukrainische Verhandlungsführer Andrij Jermak. Wie viel Gewicht Europa hat – und wie es dieses einsetzen sollte – debattiert die Presse.
Der Krieg endet, wenn Moskau es will
Die Kleine Zeitung begrüßt zwar die Anpassung, sieht aber nach wie vor ein großes Hindernis:
„Die ukrainischen Verhandler erklärten, der neue Entwurf des US-Plans enthalte nun viele 'wichtige Prioritäten' seines Landes. Man bewege sich auf einen 'gerechten und bleibenden Frieden hin'. Klingt vielversprechend. Doch wie viel der Friedensplan wirklich wert ist, wird sich erst zeigen. Der Krieg endet, wenn Moskau aufhört, anzugreifen. Trumps eigentliche Aufgabe wird es sein, den russischen Staatschef zur Unterschrift und Umsetzung eines Plans zu bewegen, den er nicht diktiert hat. Und Druck auf Putin auszuüben, hat Trump bisher noch nie lange durchgehalten.“
Europa kann noch mitreden
Die EU hat noch eine Chance, glaubt La Repubblica:
„Selbst US-Außenminister Marco Rubio, der am wenigsten 'Putin-treue' in Trumps engstem Kreis, soll den Plan gegenüber amerikanischen Senatoren als 'Wunschliste' des Zaren bezeichnet haben. Genau indem sie diese Uneinigkeit in der US-Regierung ausnutzen und auf Trumps Wankelmütigkeit setzen, können die zunächst ausgeschlossenen Europäer durch die Hintertür wieder ins Spiel kommen. …. Nun müssen die europäischen Staats- und Regierungschefs Einigkeit und Entschlossenheit beweisen, um Trumps Plan in jenen Punkten zu ändern, die einer Kapitulation der Ukraine gleichkommen.“
Zu schwach für einen Platz am Tisch
The Sunday Times stellt ernüchtert fest:
„Mit diesem Plan spielt Washington Putin nahezu alles in die Hände, was er sich wünscht – und es gibt keinerlei Garantie, dass er nicht erneut nach mehr ukrainischem Gebiet oder anderen Ländern greift, sobald er seine Waffenlager wieder aufgefüllt und die Wirtschaft sich erholt hat. … Trotz all ihrer Gespräche ist die bittere Wahrheit, dass London, Paris und Berlin weitgehend ignoriert wurden, während Washington und Moskau zur Sache kamen. Offen gesagt: Nachdem sie eine Generation lang an Investitionen in die Verteidigung gespart haben, sind die europäischen Hauptstädte zu schwach, um einen Platz am Verhandlungstisch einzufordern.“
Russische Versprechen sind nichts wert
Kein Vertrag wird Putin aufhalten, warnt der Ex-Parlamentsabgeordnete Mustafa Nayyem in einem von Gordonua.com übernommenen Facebook-Post:
„All das hatten wir bereits: Verträge über Freundschaft und die Achtung der Grenzen, das Budapester Memorandum, die Minsker Abkommen, zahlreiche 'Waffenruhen', die stets mit neuen Beschießungen endeten. Die Formel ist immer dieselbe: Moskau unterschreibt das, was ihm gerade nützt, nutzt die Pause, um sich neu aufzustellen und kehrt zur Aggression zurück, sobald es glaubt, dass es damit durchkommt. Nun sollen wir unsere gesamte Sicherheitsarchitektur an das Versprechen knüpfen, dass ebendieses Russland so etwas nicht noch mal tun wird. Das wäre nicht nur naiv, es wäre das Ignorieren der eigenen Erfahrung zugunsten des politischen Komforts jener, die das Thema Ukraine mit einer einzigen Unterschrift abhaken wollen.“
Es braucht einen Volksentscheid
Für Jornal de Notícias ist es Zeit, das ukrainische Volk einzubinden :
„Klar lehnen die europäischen Staats- und Regierungschefs in der Sicherheit ihrer Büros Veränderungen durch Waffengewalt ab. Aber wer wird kämpfen und sterben, um die Grenzen von 2022 wiederherzustellen? Vielleicht wäre es an der Zeit, statt eines faulen Friedens einen Waffenstillstand anzustreben, der so lange hält, bis das ukrainische Volk in einem Referendum gefragt werden kann, was es will: Krieg oder Frieden, auch wenn der Frieden mit einem verkleinerten Land einhergeht. Sie müssen darüber entscheiden, nicht die Welt für sie.“
Viele Ukrainer haben schon abgestimmt
Dass Europa darauf beharrt, nichts ohne die Ukraine zu entscheiden, ist zwar richtig, schreibt der Kyjiw-Korrespondent der taz, Bernhard Clasen:
„Doch die Ukraine ist mehr als ihr Präsident, ihre Regierung oder ihr Parlament. Über 300.000 Männer sind nach Angaben der ukrainischen Generalstaatsanwaltschaft fahnenflüchtig oder Deserteure. Über eine Million ukrainischer Männer leben derzeit im europäischen Ausland. Ständig fahren junge Männer vor Erreichen des 22. Lebensjahres nach Europa, weil sie nicht in den Krieg wollen. All diese Männer haben abgestimmt, mit den Füßen. Und wer meint, alle in der Ukraine vertreten die Position der Regierung, verschließt absichtlich die Augen vor diesen Realitäten. Es ist Zeit für ein Ende des Mordens.“