Vorläufiger Kompromiss im Schuldenstreit

Athen und die Euro-Finanzminister haben sich auf eine Fortführung der Hilfszahlungen an Griechenland für zunächst vier Monate verständigt. Eine Liste mit Reformvorschlägen hat die griechische Regierung am Sonntagabend an ihre Verhandlungspartner verschickt. Kommentatoren werten den Kompromiss als Niederlage für die Regierung von Alexis Tsipras. Einige glauben aber, dass er in der nächsten Runde mehr Entgegenkommen erwarten kann.

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El HuffPost (ES) /

Tsipras ist mit seinen Zielen gescheitert

Die am Freitag erzielte Einigung zwischen Athen und der Eurogruppe bedeutet für die Syriza-Regierung nichts anderes als dass sie ihre Wahlversprechen nicht gehalten hat, analysiert Carlos Carnero, Leiter der Fundación Alternativas, in der linksliberalen El Huffington Post: "Eigentlich lässt sich alles in einem Satz zusammenfassen: Syriza hat nach dem Wahlsieg das von den Vorgängerregierungen unterschriebene Rettungsprogramm für ungültig erklärt, um es dann am 20. Februar in all seinen Punkten anzunehmen. Und das gleiche wird Tsipras mit dem dritten Hilfspaket tun, wenn er seine Taktik und seine Europa-Strategie nicht noch um 180 Grad wendet. Tsipras hatte mehrere Dinge übersehen - unter anderem die Tatsache, dass seine Legitimität als Regierungschef auch nicht größer ist als die seiner Amtskollegen in allen anderen Ländern der Eurozone."

Welt am Sonntag (DE) /

Die nächsten Runden könnte Tsipras gewinnen

Nach dem am Freitag gefundenen Kompromiss kann der griechische Premier Alexis Tsipras für die nächsten Verhandlungen mit der Eurogruppe auf ein Entgegenkommen hoffen, glaubt die konservative Wochenzeitung Welt am Sonntag: "Ein echter Schuldenschnitt ist unwahrscheinlich, eine noch längere Laufzeit und niedrigere Zinsen für die Hilfskredite aber nicht. Nachdem schon der jetzige Kompromiss eher die Handschrift der pragmatischen Angela Merkel als des knallharten Wolfgang Schäuble zu tragen scheint, spricht einiges dafür, dass Europa zu weiteren solchen Schritten bereit sein wird. Wenn man dafür Tsipras von dem Irrweg abbringt, wichtige Strukturreformen für Griechenlands Wirtschaft zurückzudrehen und die zarten Erfolge über Bord zu werfen, kann sich das auszahlen. Denn nur wenn das Land wieder wettbewerbsfähig wird, bestehen überhaupt Chancen, dass es zumindest einen Teil der Hilfsgelder zurückzahlt. Tsipras' krachender Auftaktniederlage könnten daher Erfolge in Runde zwei und drei folgen."

Blog Pitsirikos (GR) /

Griechen schwächen ihre Regierung mit Bank-Run

Die Spareinlagen in Griechenland sind laut Medienberichten auf den niedrigsten Stand seit Beginn der Krise 2009 gefallen. Solidaritätsproteste hin oder her - wenn die Bürger täglich mehrere Hundert Millionen Euro außer Landes schaffen, fallen sie der griechischen Regierung in den Rücken, kritisiert der Blogger Pitsirikos: "Es war gar nicht nötig, dass die EU-Partner ein Liquiditätsproblem der Banken verursachen [um den Griechen Angst zu machen]. Die Griechen haben selbst dafür gesorgt. Gleichzeitig fordern sie von der Regierung, bei den Verhandlungen zu kämpfen. Doch wer glaubt, dass er der Regierung in den Verhandlungen den Rücken gestärkt hat, indem er sein Geld von der Bank abgehoben hat, und meint, dass die Deutschen und die anderen EU-Partner dies nicht mitkriegen, hat keine Ahnung, was los ist. Wir Bürger nahmen ebenfalls an den Verhandlungen teil, auch wenn die meisten Griechen glauben, sie seien an überhaupt gar nichts beteiligt."

Irish Independent (IE) /

Berlin übernimmt erneut das Ruder

Europa sollte Berlin dankbar sein, dass Griechenland in den Schuldenverhandlungen wieder auf Linie gebracht wurde, meint die konservative Tageszeitung Irish Independent: "Europa und Griechenland werden diese Woche weiter verhandeln. Es steht viel auf dem Spiel, da dürften sich alle einig sein, doch das Ergebnis ist vorprogrammiert. Das Hilfsprogramm - ob es nun so heißen soll oder nicht - wurde verlängert, und niemand sollte sich täuschen lassen: Griechenland wird weiterhin stark unter Druck gesetzt werden, nicht nur von Deutschland. ... Vor drei Jahren sagte der damalige polnische Außenminister Radosław Sikorski, dass es nur eine Sache gebe, die ihm mehr Angst mache als deutsches Handeln: deutsches Nicht-Handeln. Vergangene Woche wurden wir erneut Zeugen deutschen Handelns. Der Rest Europas sollte sich dessen bewusst und dankbar sein."

Foreign Policy (US) /

Außenansicht: Deutsches Spardiktat führt Europa in Abgrund

Die von Berlin durchgesetzte Sparpolitik hat verheerende Folgen für ganz Europa und muss beendet werden, klagt das US-Fachmagazin Foreign Policy: "Die Politik, die von der Regierung Angela Merkel in Berlin vorgegeben, von der EU-Kommission in Brüssel umgesetzt und von der EZB in Frankfurt zwar gelegentlich abgemildert, doch meistens mit Zwang durchgesetzt wird, bleibt verheerend. Die derzeitigen Maßnahmen - exzessives Sparen und Lohnkürzungen, Nachsicht gegenüber den Banken, keine Umschuldung und keine Anpassung an Deutschlands Merkantilismus - führen Europa in den Abgrund. ... Ein 'Kompromiss', der den Kurs Merkels um vielleicht gerade mal einen Millimeter verrückt, wäre ein Fehler. Er muss in Frage gestellt und außer Kraft gesetzt werden."