Lockert die EZB ihre Geldpolitik erneut?

Angesichts trüber Konjunkturaussichten und schwacher Inflation erwägt EZB-Chef Draghi eine weitere Lockerung der Geldpolitik wie zusätzliche Zinssenkungen und weitere Anleihekäufe. Die Aussagen Draghis im portugiesischen Sintra lösten Bewegungen an den Finanzmärkten aus, scharfe Kritik kam von US-Präsident Trump.

Alle Zitate öffnen/schließen
La Stampa (IT) /

Super Mario läuft nochmal zur Hochform auf

Als krönenden Abschluss einer Karriere feiert Finanzexperte Francesco Guerrera Draghis Rede in La Stampa:

„Just, da die Eurozone wieder in Not gerät - von wirtschaftlicher Verödung, Unfähigkeit der Politiker und internationalen Spannungen an den Abgrund getrieben - fällt ein Zentralbanker, eine 'lahme Ente' kurz vor dem Ruhestand, vom Himmel, um die Situation (zumindest zeitweise) zu retten. Die Rede in Sintra ist der bedeutendste Moment der langen Karriere von Super Mario nach dem berühmten 'whatever it takes' im Juli 2012, um den Euro zu retten. Allein dadurch, dass er erwähnte, dass die EZB 'großen Handlungsspielraum' habe, um die Wirtschaft anzukurbeln, bewegte Draghi die Börsen, machte Trump wütend und sandte ein wichtiges politisches Signal an Merkel, Macron und die italienische Regierung.“

Le Figaro (FR) /

Euro ist nicht für alle unterbewertet

Trumps Reaktion ist nur teilweise treffend, erklärt Ökonom Nicolas Goetzmann in Le Figaro:

„Man könnte Trump doppelt beschuldigen: Ursache des Problems zu sein - weil er mit einem Handelskrieg droht - und dafür, dass er die Europäer kritisiert, während diese versuchen, sich zu schützen. Das wäre seitens der Europäer aber etwas zu einfach gedacht. Denn der Euro kann für Volkswirtschaften wie Frankreich als überbewertet betrachtet werden. Für Deutschland, das einen historisch hohen Außenhandelsüberschuss gegenüber dem Rest der Welt und insbesondere den USA verzeichnet, kann er jedoch als unterbewertet angesehen werden. Trumps Verwendung des Begriffs 'unfair' ist in diesem Sinne legitim mit Blick auf Deutschland, doch illegitim hinsichtlich anderer Länder der Eurozone.“

Público (PT) /

Draghi am Apparat

Dass Trump in seinem Tweet gegen Draghi nicht einmal erklären musste, um wen es sich beim EZB-Chef handelt, hält der frühere EU-Parlamentarier Rui Tavares in Público für eine historische Angelegenheit:

„Seit gestern scheint Henry Kissingers berühmte Frage 'Wen soll ich anrufen, wenn ich Europa sprechen will' eine unerwartete Antwort gefunden zu haben: Mario Draghi. Vielleicht war es das erste Mal, dass der Name eines EU-Beamten - und nicht etwa der eines französischen Präsidenten oder eines deutschen Kanzlers - den Kommentar eines US-Präsidenten einleitet. Und zwar nur der Name, ohne dass eine Erklärung erforderlich war.“