EU-Parlament beerdigt den Verbrennungsmotor

Ab 2035 sollen Neuwagen in der EU keine klimaschädlichen Treibhausgase mehr ausstoßen dürfen, hat das EU-Parlamententschieden. Es stimmte dafür, dass dann keine Autos und Transporter mit Verbrennungsmotoren mehr auf den Markt kommen dürfen. Die Regelung muss aber noch von der EU-Kommission und den Mitgliedstaaten bestätigt werden.

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taz, die tageszeitung (DE) /

EU dackelt der Entwicklung hinterher

Für die taz ist der Beschluss noch nicht ehrgeizig genug:

„Der größte europäische Autobauer Volkswagen hat sich schon längst entschieden, zu diesem Zeitpunkt für den EU-Markt keine Verbrenner-Pkw mehr herzustellen, andere steigen viel früher aus. Das Europäische Parlament hat mit der Festlegung auf das Ausstiegsjahr 2035 darauf verzichtet, diesen längst begonnenen Prozess zu beschleunigen. Autos haben eine durchschnittliche Lebensdauer von 15 Jahren, manche fahren noch viel länger. Das Zulassungsverbot von neuen Verbrennern bedeutet also nicht das Ende von Diesel- und Benzin-Pkw. Würde die EU früher als 2035 das Verbot erlassen, würde sie mehr Wucht in den Transformationsprozess bringen. So aber dackelt sie der Entwicklung nur hinterher.“

Lidové noviny (CZ) /

Manches kommt von ganz allein

Dass bei der Abstimmung im Europaparlament nur vier der 21 tschechischen EU-Abgeordneten für das Aus der Verbrenner votierten, hat Gründe, kommentiert Lidové noviny:

„Wir [Tschechen] neigen nicht dazu, Umweltparolen zu skandieren, sind aber auch nicht umweltfeindlich. Wir sind nur weniger betucht als die reichen Westeuropäer und können uns nicht vorstellen, dass man ärmere Menschen der Möglichkeiten des Individualverkehrs beraubt. ... Betrachten wir es mal technologisch. Es wäre unvorstellbar gewesen, dass jemand 1996 angeordnet hätte, dass bis 2010 jeder ein Mobiltelefon haben muss. Am Ende verfügten jedoch damals 100 Einwohner über 138 SIM-Karten. Ganz ohne Parlamentsbeschluss.“

Le Monde (FR) /

Elektroauto ist kein Allheilmittel

Le Monde erinnert daran, dass mit den Elektroautos weitere Herausforderungen auf Europa zukommen:

„Wenn Elektroautos Standard werden, muss Europa, um unabhängig zu bleiben, auch die Lokalisierung der Batterieherstellung bei sich beschleunigen. Um die Auswirkungen auf die Umwelt möglichst gering zu halten, werden wir mehr emissionsarme Energie produzieren müssen, als es heute der Fall ist. Bereits jetzt führt die gestiegene Zahl an Elektroautos zu höheren Rohstoffpreisen. Diese werden die Herstellung teurer machen und die EU in Abhängigkeiten stürzen, die sie überwinden muss. Zudem muss die Frage nach dem Recycling von Batterien geklärt werden.“

La Repubblica (IT) /

Weitreichender Weckruf

Endlich ein Schritt in die richtige Richtung, lobt La Repubblica:

„Das gestrige Votum des Parlaments ist ein Weckruf, der nicht ignoriert werden kann. Und bestätigt, dass der Green Deal, den Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei ihrem Amtsantritt angekündigt hatte, der strategische Kompass für Europas Weg in die Zukunft bleibt. Das Ende des Autos mit Verbrennungsmotor ist ein unvermeidlicher Schritt auf dem Weg zur dritten industriellen Revolution, die wir jetzt eingeleitet haben. Alle, von den Automobilherstellern bis zu den nationalen Regierungen, von den Ölgesellschaften bis zu den Stromversorgern, die ein engmaschiges Versorgungsnetz aufbauen müssen, täten gut daran, ihre Strategien zu überdenken.“

Salzburger Nachrichten (AT) /

Pro Umwelt und contra Putin

Auch 2035 werden wir noch Auto fahren - aber eben elektrisch, meinen die Salzburger Nachrichten:

„Die nächste große Herausforderung ist es, die nötige Infrastruktur für Ladestationen zu schaffen. Schon wird in Brüssel darüber verhandelt. Die Umstellung des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens weg von fossilen Brennstoffen hin zu Klimaneutralität ist ein Prozess. … In Summe betrachtet aber ist die Energiewende nicht mehr aufzuhalten. Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine hat den Entschluss dazu sogar noch gefestigt. Die Europäer wollen sich aus der Abhängigkeit befreien - von Öl und Gas ebenso wie von Despoten. Auch wenn das bedeutet, dass sie das Massenprodukt Auto komplett anders denken und bauen müssen.“