Wird Trump wegen Aufruhrs angeklagt?

Der parlamentarische Untersuchungsausschuss zum Sturm auf das Kapitol empfiehlt die Anklage gegen Ex-Präsident Trump - unter anderem wegen Verschwörung und Anstiftung zum gewaltsamen Aufruhr. Für Justizminister Merrick Garland birgt die Empfehlung ein echtes Dilemma, erkennt Europas Presse.

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Dagens Nyheter (SE) /

Keine Anklage schlimmer als Anklage

Der Justizminister und Generalstaatsanwalt Merrick Garland muss jetzt eine schwierige Entscheidung treffen, stellt Dagens Nyheter fest:

„Wenn die Beweise stichhaltig sind, wird Garland vernünftigerweise keine andere Wahl haben, als Anklage zu erheben. Sich wegen politischer Risiken zurückzuhalten, hieße, die Politik über das Gesetz zu stellen. ... Aus praktischer Sicht könnte sich das als fataler erweisen, als Anklage zu erheben. Das Signal wäre, dass der Präsident über dem Gesetz steht und nicht zur Rechenschaft gezogen werden kann, selbst wenn er versucht, die gesamte Republik zu stürzen.“

Népszava (HU) /

Ein Zeichen setzen

Bei diesem Verfahren geht es um den Schutz der demokratischen Ordnung, meint Népszava:

„Wenn die Politik diesen Vorfall aus praktischen Gründen unter den Teppich kehren würde, würde das einen Anreiz bedeuten für spätere Nachahmer von Trump, unter denen auch Faschisten sein könnten, die mehr Talent als Trump an den Tag legen. Es geht nicht darum, Trump ins Gefängnis zu bringen, sondern darum, dass sein Schicksal als Warnsignal für die Zukunft dient. Sonst könnte die Demokratie verloren gehen - und nicht nur in Übersee.“

Frankfurter Allgemeine Zeitung (DE) /

Rivalen müssen sich entscheiden

Der Druck erhöht sich auch auf die übrigen Spitzenpolitiker der Republikaner, meint die Frankfurter Allgemeine Zeitung:

„Man darf gespannt sein, wie Ron DeSantis und andere konservative Rivalen nun mit den schweren Vorwürfen gegen Trump umgehen. Vielleicht nicht im strafrechtlichen Sinn, aber politisch hängen die allermeisten Republikaner schließlich tief mit drin in der 'Verschwörung gegen die Vereinigten Staaten', von welcher der Ausschuss spricht. Distanzierten sie sich jetzt, kämen sie unter Rechtfertigungsdruck für ihre bisherige Haltung. Verteidigten sie Trump weiterhin, könnten sie seiner Kandidatur neues Leben einhauchen.“

L'Opinion (FR) /

Republikaner werden die Affäre genüsslich begraben

Der Ex-Präsident dürfte auch diesmal ungeschoren davonkommen, glaubt L'Opinion:

„Es wäre voreilig, Donald Trump, der bereits zwei Amtsenthebungsverfahren überstanden hat, darunter eins infolge des berüchtigten Sturms aufs Kapitol, politisch abzuschreiben. ... Die republikanische Partei, die ab Anfang Januar das Repräsentantenhaus kontrollieren wird, wird den Fall genüsslich begraben und andere gegen Joe Biden hervorbringen. Und der Betroffene selbst prangert 'falsche Anschuldigungen' eines 'äußerst parteiischen' Ausschusses an, dem es nur darum gehe, 'mich daran zu hindern, bei der Präsidentschaftswahl anzutreten, weil sie wissen, dass ich gewinnen werde'. So (schlecht) funktioniert die Demokratie in den USA.“

Irish Independent (IE) /

Triumph der Wahrheit

Ganz gleich, ob es zum Strafverfahren gegen Trump kommt oder nicht, der Untersuchungsausschuss zur Erstürmung des US-Kapitols hat schon viel geleistet, lobt Irish Independent:

„Millionen Amerikaner haben jede der Anhörungen mitverfolgt. Diverse Umfragen im Sommer zeigten, dass 60 Prozent der Amerikaner nun glauben, dass Trump für die Ereignisse vom 6. Januar verantwortlich ist. Und bei den Zwischenwahlen fand diese Überzeugung ihren Niederschlag an den Wahlurnen. Von Trump gestützte Leugner des Wahlsiegs von Biden verloren bei jedem wichtigen Kopf-an-Kopf-Rennen. Es ist augenscheinlich, dass das Komitee als Anti-Desinformationsprojekt triumphiert hat.“