Was ist vom Oscar für "Nawalny" zu halten?

Bei den 95. Academy Awards hat die Dokumentation Nawalny den Oscar als bester Dokumentarfilm gewonnen. Für den Film traf Regisseur Daniel Roher den Putin-Gegner 2020, als sich dieser von den Folgen einer Nowitschok-Vergiftung erholte. Nawalny sitzt seit 2021 in Haft, bei mutmaßlich unzureichender Gesundheitsversorgung. Das Signal, das diese Auszeichnung sendet, finden aber nicht alle Kommentatoren richtig.

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Webcafé (BG) /

Wichtiges Schaufenster für russischen Widerstand

Webcafé begrüßt die Auszeichnung:

„In einer Gesellschaft, der systematisch beigebracht wird, dass alles schwarz oder weiß und die Welt in Gefolgsleute und Verräter gespalten ist (und in der Verräter sterben müssen), zeigt der Film Nawalny die Vision eines anderen Weges für Russland auf. Wir wissen zwar, dass diese Vision nie eine besondere Chance hatte, sich durchzusetzen. Darum ist es umso wichtiger, dass der Film jetzt, wo Nawalny seit mehr als zwei Jahren im Straflager sitzt und sich die aus der Luft gegriffenen Urteile gegen ihn weiter häufen, daran erinnert, dass es trotz der eiserner Hand des Staates in Russland immer noch Widerstand und Unzufriedenheit mit Putin gibt.“

Wprost (PL) /

Es gibt kein anderes Russland

Mit der Auszeichnung des Nawalny-Films gibt sich Hollywood einem Luftschloss hin, ist Wprost überzeugt:

„Die Traumfabrik vergibt einen Oscar an einen Film, der Nawalnys internationalen Status als Symbol für ein besseres als das Putinsche Russland zementiert. Wie wir sehen, existiert ein solches Gebilde möglicherweise gar nicht. Das zeigt sich am Verhalten der in Europa lebenden russischen Emigranten, etwa in ihrer Haltung gegenüber dem jüngsten demokratischen Bürgeraufstand in Georgien, wo ein Moskau-freundliches Regime versuchte, Gesetze im Stile Putins einzuführen.“

Echo (RU) /

Von wegen im Westen geächtet

Die Journalistin Lisa Laserson findet in einem von Echo übernommenen Telegram-Post, der Oscar für "Nawalny" widerlege das Propaganda-Narrativ, der Westen sei per se russophob und antirussische Cancel Culture träfe auch Putin-Gegner:

„Nun wurde ein Oscar an einen Film über einen russischen Oppositionellen vergeben. Der Friedensnobelpreis ging zwei Jahre in Folge an Russen - an Memorial und Muratow. Welche Cancel Culture? Russen bekommen alle Aufmerksamkeit, die ganze Welt ist erstarrt in Erwartung, was dort als Nächstes passiert. ... Wenn Sie sich also das nächste Mal beim Gedanken ertappen, dass manche von uns durch Cancel Culture in Putins Arme getrieben werden, denken Sie nochmals nach. ... Übrigens, Nawalny sitzt hier in Haft und Memorial wurde geschlossen. Wer schafft hier wen ab?“