Nahost: Was könnte nach der Hamas kommen?

Nach dem brutalen Terrorangriff der radikal-islamischen Hamas ist sich Europas Presse weitestgehend einig: Solange diese bewaffnete Gruppe den Gazastreifen kontrolliert, ist kein Frieden zwischen Israelis und Palästinensern möglich. Die Hamas zu besiegen ist allerdings schwierig, viele Zivilisten in Gaza würden dabei getroffen werden. Kommentatoren beschäftigt zudem, wie es langfristig weitergehen könnte.

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The Irish Times (IE) /

Gewinner des Propaganda-Kriegs steht schon fest

Warum die radikal-islamische Terrororganisation von der Eskalation des Konflikts stark profitiert hat, erklärt The Irish Times:

„Unabhängig davon, ob man das Recht Israels auf Selbstverteidigung oder das Recht der Palästinenser auf Selbstbestimmung unterstützt: Die Aufregung in den sozialen Medien hilft der Hamas, sich in den Köpfen der Menschen als öffentliche Vertreterin und Verteidigerin des Gazastreifens zu etablieren. Sie wird zum Synonym für Palästina, stärkt ihren Status als regionale Akteurin im Nahen Osten und zwingt die 'Palästinenserfrage' wieder auf die Tagesordnung der Weltöffentlichkeit. Zwölf Tage nach Beginn des Krieges ist die Hamas militärisch zwar stark unter Druck, sie kontrolliert aber das Narrativ.“

Berlingske (DK) /

Alle Terror-Organisationen konsequent bekämpfen

Islamistische Radikale wollen Israel auslöschen, erinnert Berlingske:

„Seit [dem Scheitern des Osloer Friedensprozesses in den 1990er-Jahren] sind mit ein paar wenigen Ausnahme keine neuen Friedensverhandlungen in Gang gekommen, und das wird auch nicht passieren, solange Hamas, Islamischer Dschihad, Iran und Hisbollah - um nur einige zu nennen - Terror ausüben und sich nicht zufrieden geben, bis Israel vernichtet ist. Deshalb ist es wichtiger als je zuvor, Israels Kampf gegen den Terror zu unterstützen. Denn solange der Terror nicht besiegt ist, wird es keinen Frieden geben.“

Aamulehti (FI) /

Nur Zweistaatenlösung kann Frieden bringen

Israel muss der Zweistaatenlösung zustimmen, ist Aamulehti überzeugt:

„Israel wird irgendwann mit der Hamas verhandeln müssen. Die Frage ist, wer in Gaza nach dem Krieg regiert. Es wird entweder die Hamas oder eine in der Region wiederhergestellte Palästinensische Autonomiebehörde sein. Beide würden eine klare Zusage Israels verlangen, dass eine Zweistaatenlösung, also ein souveräner Staat für die Palästinenser als Nachbarstaat Israels, innerhalb eines beliebigen Zeitrahmens überhaupt möglich ist. Ohne diese Zusage wird der Kreislauf der Gewalt im Nahen Osten nur für kurze Zeit nachlassen. Wenn Israel einen stabileren Frieden in der Region anstrebt, wird es einer Zweistaatenlösung zustimmen müssen.“

Webcafé (BG) /

Unabhängiges Palästina als Gefahr

Die Zweistaatenlösung ist keine Option für Israel, meint Webcafé:

„Israels große Angst ist, dass das Westjordanland unter die Kontrolle von Radikalen wie der Hamas gerät, wie es im Gazastreifen geschehen ist. Gegenwärtig wird es mehr oder weniger von der israelischen Armee kontrolliert, doch mit der Entstehung eines souveränen palästinensischen Staates würde dies nicht mehr der Fall sein. Für einen großen Teil der israelischen Bevölkerung würde eine Zweistaatenlösung nicht zum Frieden führen, sondern den palästinensischen Radikalen nur die Möglichkeit bieten, ungehindert eine weitere Basis für Anschläge zu schaffen.“

LRT (LT) /

Nur ohne sie können Palästinenser frei werden

Auch die Palästinenser sollten auf einen israelischen Sieg über die Hamas hoffen, argumentiert LRT:

„Wenn Gaza von der terroristischen Willkür befreit ist, könnte es einer etwas gemäßigteren palästinensischen Verwaltung übergeben werden, und wenn diese Verwaltung das Schüren des Hasses gegen Israel einstellt, bestünde eine ernsthafte Chance, an den Verhandlungstisch zu kommen, was zur Anerkennung eines palästinensischen Staates führen sollte. ... Nicht irgendein Staat, sondern einer, der alle Rechte und Freiheiten seiner Bürger garantiert. Mit Ausnahme des Rechts auf die Zerstörung Israels. Ohne diese schmerzhafte Akzeptanz der Realität werden die Palästinenser nie aus dem blutigen Kreislauf des Hasses ausbrechen können, der sie zerstört.“

Onet.pl (PL) /

Die Wahrheit liegt nicht in der Mitte

Hinter vermeintlicher Ausgewogenheit versteckt sich bestenfalls intellektuelle Bequemlichkeit, kritisiert Agnieszka Markiewicz vom American Jewish Committee bei Onet.pl:

„Wir können heute nicht mehr zurückgelehnt über eine 'Spirale der Gewalt' schwadronieren. ... Solche Aussagen suggerieren, dass es keine Verantwortlichen gibt, dass es kein richtig und falsch gibt, dass die Wahrheit 'irgendwo in der Mitte' liegt. Dabei sollte doch heute jedem klar sein, dass die Hamas, die Hisbollah und ihre Sponsoren Tod, Terror und Leid über Millionen von Menschen bringen. Es sollte absolut klar sein, dass der Krieg gegen die Hamas der Krieg aller ist, die sich dem Bösen widersetzen.“

Jutarnji list (HR) /

Opfer müssen in Kauf genommen werden

Kollateralschäden werden sich nicht vermeiden lassen, wenn die Hamas zerstört werden soll, analysiert Jutarnji list:

„Soll man wegen dem sicherlich bevorstehenden Tod von Kindern, Frauen und Alten die Terrorgruppe nicht zerstören, die nicht aufhört, Juden und Ausländer in Israel zu töten und die eigene Bevölkerung zu quälen, weil sie meint, ein religiöses Recht dazu zu haben? ... Der Angriff auf die Hamas, mit all den schrecklichen Konsequenzen im Gazastreifen, lässt sich rechtfertigen, wenn danach Palästinenser und Israelis ein nachhaltiges Modell des Zusammenlebens definieren können, von dem Terroristen ausgeschlossen werden - zum Wohle aller, die in diesem Gebiet leben.“

Novinky.cz (CZ) /

Beseitigung der Terroristen löst das Problem nicht

Novinky.cz erörtert die Schwierigkeiten, vor denen Israel steht:

„Selbst wenn die Hamas eliminiert würde, würde dies die Palästinenserfrage nicht lösen. In einer angespannten Atmosphäre, die durch palästinensische Opfer noch verschärft wird, würde die Hamas durch eine andere Bewegung ersetzt, die ihre Rolle übernehmen würde. ... Es ist viel verlangt, von den Palästinensern zu erwarten, dass sie in einer von radikalen Führern geschürten Stimmung rational entscheiden und gemäßigteren Vertretern den Vorzug geben würden. ... Es ist kein Zufall, dass der ehemalige Chef des britischen Geheimdienstes MI6, Alex Younger, sagte: 'Man kann nicht alle Terroristen töten, ohne noch mehr Terroristen zu schaffen.'“

Savon Sanomat (FI) /

Völkerrechtsverstöße keine Option

Nur das Zweistaatenmodell bietet die Hoffnung auf Frieden, ist Savon Sanomat überzeugt:

„Es ist unklar, welches Ziel Israel in Gaza verfolgt. Wenn Israel den kompletten Gazastreifen bombardieren, einnehmen und besetzen möchte, was heißt das dann für die Palästinenser? Die Ungerechtigkeiten, die Israel erlitten hat, rechtfertigen keine Verstöße gegen das Völkerrecht. Selbst wenn die Hamas ausgelöscht wird, wird die Saat des Terrorismus noch über Generationen hinweg sprießen, wenn nicht für Gerechtigkeit gesorgt wird. Diese kann nur das Zweistaatenmodell bieten, auch wenn dieses ewige Projekt wieder einmal vom Getöse des Krieges überdeckt wird.“