Deutschland verschärft seine Asylpolitik

In Berlin haben sich Regierung und Bundesländer auf eine Asylreform geeinigt, um die Zahl der nach Deutschland Flüchtenden zu verringern. Verfahren und Abschiebungen sollen beschleunigt werden, Flüchtlinge statt Bargeld eine Bezahlkarte und länger reduzierte Sozialleistungen erhalten. Inwieweit Asylverfahren in Drittstaaten ausgelagert werden können, soll geprüft werden. Eine weitere Zeitenwende für das Land?

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Večernji list (HR) /

Große Wende

Deutschland verschärft eine bisher eher liberale Einwanderungspolitik, analysiert Večernji list:

„Bundeskanzler Olaf Scholz einigte sich Dienstagvormittag mit den Ministerpräsidenten auf eine strengere Einwanderungspolitik, um die Zahl der Asylsuchenden im Land zu verringern. In einer großen Wende, an der Berlin die letzten Monate arbeitete, sagt das Land offen, dass es in geringerem Ausmaß Magnet für Migranten sein möchte, von denen es, besonders in Berlin, zu viele gebe, nachdem bis vor einigen Monaten ein sehr liberaler Umgang mit der Migration herrschte. ... Scholz nannte die Einigung mit den Ministerpräsidenten einen 'historischen Augenblick', was zeigt, wie politisch sensibel das Thema geworden ist. “

Der Standard (AT) /

Das ist erst der Anfang

Der Standard ist sich sicher, dass die Asylfrage Deutschland auch nach der Kompromissfindung noch lange beschäftigen wird:

„Es ist dann doch gelungen, und das ist schon einmal keine schlechte Nachricht – waren und sind die Auffassungen doch sehr unterschiedlich. ... Ampel und Union sitzen auch die hohen AfD-Umfragewerte im Nacken. Härter wollte die Union daher auftreten, die Ampel stand eher auf der Bremse. Herausgekommen ist keine große 'Asylwende', wie so mancher vorab gefordert hatte. Vielmehr setzt man auf eine Vielzahl einzelner Maßnahmen. ... Dennoch muss allen klar sein: Das war erst der Anfang, das Thema Asyl wird die deutsche Politik noch lange beschäftigen.“

Frankfurter Rundschau (DE) /

Das Klima wird rauer

Das Beschlusspaket wird trotz seiner Abschreckungslogik die Zuzugszahlen nicht senken können, ist die Frankfurter Rundschau überzeugt:

„Denn die Krisen und Kriege toben ja weiter, die Menschen zur Flucht zwingen. ... Wir können Humanität und Ordnung nur sichern, indem wir Zuwanderung akzeptierend gestalten. Etwa durch weitere Schritte zur Öffnung des Arbeitsmarktes für Geflüchtete, über die von der Ampel geplanten hinaus; durch massive Investitionen in Integration und Bildung statt folgenschwerer Kürzungen; durch eine klare Strategie für mehr legale Einwanderung. Dass jetzt das Gegenteil geschieht, lässt für die Stimmung im Land nichts Gutes erwarten.“

Ouest-France (FR) /

Frankreich geht es ähnlich

Für Ouest-France trägt

„Berlins 180-Grad-Drehung einem Meinungsumschwung auf der anderen Rheinseite Rechnung. ... Der Abschwung der deutschen Wirtschaft hat dazu beitragen, die Erfolge der extremen Rechten bei den letzten Regionalwahlen ebenso. Und wohl auch das Ausmaß der pro-palästinensischen Demonstrationen sowie die extreme Zunahme antisemitischer Taten seit dem Angriff der Hamas auf Israel. ... Die Angst vor einem 'Import' des Konfliktes scheint mittlerweile den Bedarf an ausländischen Arbeitskräften bei unserem zunehmend überalterten Nachbarn zu überlagern. Frankreich ist von ähnlichen Ängsten geplagt und verfolgt den gleichen Weg. In uns arbeiten dieselben Mechanismen, verstärkt durch den Schrecken des islamistischen Attentats in Arras, und führen zu einer vergleichbar veränderten Sichtweise.“